Skip to content

Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – Erschütterung des Beweiswerts bei Entgeltfortzahlung

Eine Reinigungskraft in Berlin klagt erfolgreich auf Entgeltfortzahlung, nachdem ihr Arbeitgeber die Lohnfortzahlung aufgrund von Zweifeln an ihrer Arbeitsunfähigkeit verweigert hatte. Der Fall wirft ein Licht auf die schwierige Situation von Arbeitnehmern, die nach einem abgelehnten Urlaubswunsch krankheitsbedingt ausfallen. Eine Ärztin bestätigte die Erkrankung der Frau und das Gericht gab ihr Recht.

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Arbeitsgericht Berlin
  • Datum: 19.03.2024
  • Aktenzeichen: 22 Ca 8667/23
  • Verfahrensart: Klageverfahren wegen Entgeltfortzahlung
  • Rechtsbereiche: Arbeitsrecht, Entgeltfortzahlungsgesetz

Beteiligte Parteien:

  • Klägerin: Angestellte, die als Hauswirtschafts- und Reinigungskraft arbeitet. Ihre wesentlichen Argumente beruhen auf ihrem Anspruch auf Entgeltfortzahlung während einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit vom 22.05. bis 15.06.2023.
  • Beklagter: Arbeitgeber der Klägerin. Die Argumentation stützt sich auf die Zweifel an der Krankmeldung der Klägerin aufgrund der zeitlichen Nähe ihrer Kündigung und der beantragten Urlaubszeit.

Um was ging es?

  • Sachverhalt: Die Klägerin forderte Entgeltfortzahlung, da sie angab, aufgrund einer Krankheit arbeitsunfähig gewesen zu sein. Ihr Antrag auf Urlaub wurde zuvor abgelehnt. Der Beklagte stellte die Authentizität der Krankmeldung infrage und verweigerte die Zahlung.
  • Kern des Rechtsstreits: Die Glaubwürdigkeit und Beweiskraft der von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sowie die Berechtigung zur Einbehaltung der Vergütung durch den Arbeitgeber.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Der Beklagte wurde verurteilt, der Klägerin 2.110,00 Euro brutto nebst Zinsen zu zahlen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
  • Begründung: Das Gericht stellte fest, dass die Klägerin unverschuldet arbeitsunfähig war. Die vorgelegte ärztliche Bescheinigung und die Zeugenaussage bestätigten ihre Krankheit. Die hohen Beweisanforderungen an die Erschütterung des Beweiswerts der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch den Arbeitgeber wurden nicht erreicht.
  • Folgen: Der Beklagte muss das einbehaltene Entgelt nachzahlen. Das Urteil betont die Bedeutung ordnungsgemäßer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen als Beweismittel im Arbeitsrecht.

Umgang mit Arbeitsunfähigkeit: Gerichtsurteil zu Beweis und Entgeltfortzahlung

Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist ein zentrales Dokument im Spannungsfeld zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und medizinischer Dokumentation. Sie dient als rechtliche Grundlage für Ansprüche auf Lohnfortzahlung und bildet den Nachweis über den Gesundheitszustand eines Beschäftigten während krankheitsbedingter Fehlzeiten.

Der rechtliche Rahmen definiert präzise Anforderungen an den Beweis der Arbeitsunfähigkeit. Arbeitnehmer müssen ihren Gesundheitszustand gegenüber dem Arbeitgeber durch ärztliche Bescheinigungen transparent machen und haben einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, solange keine begründeten Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit bestehen. Im Sozialrecht spielen dabei medizinische Gutachten und die Qualität der Dokumentation eine entscheidende Rolle.

Ein konkreter Gerichtsfall wird nun zeigen, wie Gerichte mit Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit umgehen und welche Kriterien für die Erschütterung des Beweiswerts einer Krankmeldung entscheidend sind.

Der Fall vor Gericht


Streit um Entgeltfortzahlung bei Depression nach abgelehntem Urlaubswunsch

Mittelalte Frau am Küchentisch mit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und abgelehntem Urlaubsantrag in Berliner Wohnung.
Streit um Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit | Symbolfoto: Flux gen.

Ein Berliner Arbeitsgericht gab der Klage einer Hauswirtschaftskraft auf Entgeltfortzahlung in Höhe von 2.110 Euro statt. Die Reinigungskraft war seit Oktober 2021 bei einem Arbeitgeber zu einem Bruttomonatsgehalt von 2.472 Euro zuzüglich 100 Euro Prämie beschäftigt.

Ablehnung des Urlaubswunschs und nachfolgende Krankmeldung

Nachdem die Mitarbeiterin am 8. Mai 2023 das Arbeitsverhältnis zum nächstmöglichen Zeitpunkt gekündigt hatte, bat sie am 12. Mai um Urlaub bis zum Ende der Beschäftigung. Sie wollte ihre Familie besuchen. Der Arbeitgeber lehnte dies unter Verweis auf betriebliche Gründe ab. Zehn Tage später, am 22. Mai, meldete sich die Klägerin krank und legte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis zum 15. Juni 2023 vor – dem letzten Tag ihres Arbeitsverhältnisses.

Zweifel des Arbeitgebers an der Arbeitsunfähigkeit

Der Arbeitgeber verweigerte die Entgeltfortzahlung. In einem Schreiben vom 2. Juni 2023 äußerte er Ernsthafte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit. Er verwies auf die zeitliche Nähe zwischen Kündigung, abgelehntem Urlaubswunsch und Krankmeldung. Auch die Diagnose einer depressiven Episode durch eine Vertretungsärztin sowie der nahtlose Antritt einer neuen Stelle am 16. Juni 2023 nährten seine Zweifel.

Ärztliche Untersuchung bestätigt Erschöpfungsdepression

Die behandelnde Ärztin bestätigte vor Gericht in ihrer Zeugenaussage eine gründliche Untersuchung von 10 bis 20 Minuten. Die Patientin habe unkontrolliert geweint, sei verzweifelt und aufgebracht gewesen. Die Ärztin diagnostizierte eine Erschöpfungsdepression mit Konzentrationsschwierigkeiten. Diese hätten die Arbeitsfähigkeit als Reinigungskraft erheblich eingeschränkt und potenzielle Gefahren, etwa beim Putzen im Treppenhaus, mit sich gebracht. Die Symptome wie Erschöpfung, Ängste und Konzentrationsprobleme hätten nach Angaben der Patientin bereits seit Monaten bestanden.

Gericht sieht Arbeitsunfähigkeit als erwiesen an

Das Arbeitsgericht Berlin bewertete die Aussage der Ärztin als glaubwürdig. Die Untersuchung sei ausreichend gewesen, um die Diagnose und Arbeitsunfähigkeit festzustellen. Die Dauer der Krankschreibung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses erschien dem Gericht aufgrund der arbeitsbezogenen psychischen Belastung sachgerecht. Der Arbeitgeber wurde zur Zahlung der Entgeltfortzahlung von 824 Euro für Mai und 1.286 Euro für Juni zuzüglich Zinsen verurteilt.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil stärkt die Position von Arbeitnehmern bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Auch wenn ein Arbeitgeber Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit hat, muss er zunächst zahlen – bloße Vermutungen oder zeitliche Zusammenhänge mit einer Kündigung reichen nicht aus, um die Entgeltfortzahlung zu verweigern. Das Gericht bestätigt, dass eine ordnungsgemäße Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als wichtigstes Beweismittel gilt und der Arbeitgeber sehr konkrete Beweise für einen Missbrauch vorlegen muss.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Als Arbeitnehmer können Sie sich darauf verlassen, dass Ihr Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung nicht einfach mit vagen Verdachtsmomenten verweigern darf. Wenn Sie eine ordnungsgemäße Krankschreibung vorlegen, muss Ihr Arbeitgeber diese grundsätzlich akzeptieren und weiterzahlen – auch wenn die Krankschreibung in zeitlicher Nähe zu einer Kündigung erfolgt. Selbst wenn Sie zuvor einen Urlaubswunsch geäußert haben, der abgelehnt wurde, berechtigt dies den Arbeitgeber nicht automatisch dazu, eine spätere Krankmeldung anzuzweifeln. Um Ihre Entgeltfortzahlung zu verweigern, müsste Ihr Arbeitgeber handfeste Beweise für einen Missbrauch der Krankschreibung vorlegen.

Benötigen Sie Hilfe?

Entgeltfortzahlung trotz Kündigung? Wir helfen Ihnen!

Kündigungen und Krankmeldungen sind oft eine sensible Kombination, die zu Konflikten mit dem Arbeitgeber führen kann. Die Verweigerung der Entgeltfortzahlung ist dabei keine Seltenheit, selbst wenn eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorliegt. Gerade in diesen Situationen ist es wichtig, Ihre Rechte zu kennen und sich effektiv zu wehren.

Wir unterstützen Sie dabei, die Rechtmäßigkeit der Entgeltfortzahlungsprüfung Ihres Arbeitgebers zu überprüfen und Ihre Ansprüche durchzusetzen. Dabei stehen wir Ihnen mit unserer Expertise im Arbeitsrecht zur Seite und beraten Sie individuell zu Ihrer Situation.

Sprechen Sie uns an, um Ihre Möglichkeiten zu besprechen und gemeinsam die beste Strategie für Ihr Anliegen zu entwickeln.

Fordern Sie unsere Ersteinschätzung an!

Häufig gestellte Fragen zum Thema

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was müssen Arbeitnehmer bei der Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beachten?

Als Arbeitnehmer sind Sie verpflichtet, Ihre Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer dem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen. Diese Meldepflicht besteht bereits vor dem Arztbesuch oder Krankenhausaufenthalt.

Grundlegende Meldepflichten

Wenn Sie länger als drei Kalendertage arbeitsunfähig sind, müssen Sie spätestens am darauffolgenden Arbeitstag eine ärztliche Bescheinigung vorlegen. Beachten Sie dabei: Der Arbeitgeber kann die Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch ab dem ersten Krankheitstag verlangen.

Besonderheiten seit Januar 2023

Seit dem 1. Januar 2023 gilt für gesetzlich Versicherte das elektronische Verfahren (eAU):

  • Sie müssen die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht mehr selbst an die Krankenkasse oder den Arbeitgeber übermitteln
  • Die Arztpraxis übermittelt die Krankmeldung elektronisch an Ihre Krankenkasse
  • Ihr Arbeitgeber ruft die Daten direkt bei der Krankenkasse ab
  • Sie erhalten nur noch einen Papierausdruck für Ihre eigenen Unterlagen

Wichtige Fristen und Fallstricke

Bei der Berechnung der Drei-Tage-Frist sind folgende Punkte zu beachten:

  • Es zählen Kalendertage, nicht Arbeitstage
  • Samstage, Sonntage und Feiertage werden mitgerechnet
  • Fällt das Fristende auf einen arbeitsfreien Tag, muss die Bescheinigung am nächsten Arbeitstag vorgelegt werden

Der Beweiswert Ihrer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann gefährdet sein, wenn:

  • Die Krankschreibung genau mit dem Ende der Kündigungsfrist zusammenfällt
  • Die Bescheinigung unmittelbar nach einem Arbeitskonflikt ausgestellt wurde
  • Die übliche 14-Tage-Frist bei der Ausstellung überschritten wurde

Sonderfälle und Ausnahmen

Für bestimmte Situationen gelten abweichende Regelungen. Das elektronische Verfahren gilt nicht bei:

  • Privater Krankenversicherung
  • Krankschreibungen durch Privatärzte
  • Erkrankungen im Ausland
  • Minijobs in Privathaushalten

In diesen Fällen müssen Sie weiterhin eine Bescheinigung in Papierform vorlegen.

Ab Januar 2025 werden auch Vorsorge- und Rehabilitationszeiten sowie teilstationäre Krankenhausaufenthalte in das elektronische Meldeverfahren integriert. Dies bedeutet für Sie als Arbeitnehmer eine weitere Vereinfachung des Verfahrens.


zurück

Welche Rechte haben Arbeitnehmer bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall?

Grundlegender Anspruch

Als Arbeitnehmer haben Sie einen gesetzlichen Anspruch auf 100% Ihres regulären Arbeitsentgelts für einen Zeitraum von maximal sechs Wochen, wenn Sie durch Krankheit arbeitsunfähig sind. Dieser Anspruch ist im Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) geregelt und gilt für alle Arbeitnehmer, einschließlich Teilzeitbeschäftigte, Minijobber und Auszubildende.

Voraussetzungen für den Anspruch

Um Entgeltfortzahlung zu erhalten, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:

  • Mindestbeschäftigungsdauer von vier Wochen im Unternehmen
  • Die Arbeitsunfähigkeit darf nicht selbst verschuldet sein
  • Eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung muss spätestens ab dem vierten Krankheitstag vorliegen

Dauer und Verlängerung

Bei derselben Erkrankung beginnt ein neuer sechswöchiger Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn:

  • Sie mindestens sechs Monate nicht wegen derselben Krankheit arbeitsunfähig waren
  • Seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit eine Frist von zwölf Monaten abgelaufen ist

Bei einer anderen Erkrankung beginnt sofort ein neuer sechswöchiger Anspruch. Wenn Sie innerhalb der ersten vier Wochen des Arbeitsverhältnisses erkranken, erhalten Sie statt der Entgeltfortzahlung Krankengeld von Ihrer Krankenkasse.

Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist das wichtigste Beweismittel für Ihre Erkrankung. Der Arbeitgeber kann jedoch den Beweiswert der Bescheinigung erschüttern, wenn konkrete Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit bestehen. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn die Krankschreibung zeitlich exakt mit einer Kündigungsfrist zusammenfällt. In einem solchen Fall müssen Sie als Arbeitnehmer Ihre Arbeitsunfähigkeit durch zusätzliche Nachweise belegen, etwa durch eine Aussage des behandelnden Arztes.


zurück

Wann darf der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung verweigern?

Der Arbeitgeber darf die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nur unter bestimmten gesetzlich geregelten Voraussetzungen verweigern.

Versäumte Meldepflichten

Wenn Sie Ihre Arbeitsunfähigkeit nicht unverzüglich beim Arbeitgeber melden oder die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht fristgerecht vorlegen, kann der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung vorübergehend verweigern. Sobald Sie die Bescheinigung nachreichen, muss der Arbeitgeber das Entgelt auch rückwirkend zahlen.

Erschütterung des Beweiswerts der AU-Bescheinigung

Der Arbeitgeber kann die Entgeltfortzahlung verweigern, wenn er konkrete Tatsachen nachweist, die erhebliche Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit begründen. Ein typischer Fall ist die zeitliche Übereinstimmung zwischen Kündigung und Krankschreibung. Wenn Sie beispielsweise nach einer Kündigung eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen, die exakt bis zum Ende der Kündigungsfrist reicht, und Sie am nächsten Tag eine neue Arbeit aufnehmen, kann dies den Beweiswert der Bescheinigung erschüttern.

Fehlende Monokausalität

Eine Verweigerung ist auch möglich, wenn die Krankheit nicht der alleinige Grund für den Arbeitsausfall ist. Wenn Sie beispielsweise:

  • wegen fehlender Aufenthaltserlaubnis ohnehin nicht arbeiten dürfen
  • sich in Kurzarbeit befinden
  • Ihren Urlaub bereits eingereicht haben
  • einem behördlichen Tätigkeitsverbot unterliegen

In diesen Fällen wären Sie auch ohne Krankheit nicht zur Arbeit erschienen, weshalb kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht.

Verhinderung von Schadensersatzansprüchen

Wenn Sie durch einen Dritten verletzt wurden und dadurch arbeitsunfähig sind, geht der Schadensersatzanspruch auf den Arbeitgeber über. Verhindern Sie diesen Übergang, indem Sie beispielsweise notwendige Informationen nicht mitteilen, darf der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung dauerhaft verweigern.

Selbstverschuldete Arbeitsunfähigkeit

Bei grob fahrlässiger oder vorsätzlicher Herbeiführung der Arbeitsunfähigkeit entfällt der Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Dies kann etwa der Fall sein, wenn Sie sich bei einer extrem gefährlichen Sportart entgegen ärztlichem Rat verletzen.


zurück

Wie können sich Arbeitnehmer gegen eine verweigerte Entgeltfortzahlung wehren?

Wenn der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung verweigert, können Sie sich durch verschiedene Maßnahmen dagegen wehren. Die Krankenkasse tritt zunächst mit Krankengeld ein, wenn die Entgeltfortzahlung unberechtigt verweigert wird.

Dokumentation und Nachweise

Bewahren Sie alle Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sorgfältig auf. Bei Zweifeln des Arbeitgebers an der Arbeitsunfähigkeit müssen Sie in der Lage sein, diese anderweitig zu belegen. Wenn der Beweiswert der AU-Bescheinigung erschüttert ist, können Sie durch weitere medizinische Unterlagen oder Zeugenaussagen Ihre tatsächliche Arbeitsunfähigkeit nachweisen.

Rechtliche Durchsetzung

Sie können Ihren Anspruch auf Entgeltfortzahlung gerichtlich geltend machen. Der Anspruch muss innerhalb der tariflichen oder arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen geltend gemacht werden.

Unterstützung durch die Krankenkasse

Die Krankenkasse kann den Anspruch auf Entgeltfortzahlung von Ihnen übernehmen und gerichtlich durchsetzen. Der Übergang des Entgeltfortzahlungsanspruchs auf die Krankenkasse vollzieht sich automatisch, sobald alle Voraussetzungen vorliegen – eine gesonderte Anzeige ist nicht erforderlich.

Beweislast bei Zweifeln

Bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit trägt zunächst der Arbeitgeber die Beweislast. Er muss konkrete Tatsachen vortragen, die den Beweiswert der AU-Bescheinigung erschüttern. Erst wenn ihm dies gelingt, müssen Sie als Arbeitnehmer Ihre Arbeitsunfähigkeit anderweitig nachweisen.

Wichtig: Der Arbeitgeber darf die Entgeltfortzahlung nicht einfach willkürlich verweigern. Er muss stichhaltige Gründe haben, die den Beweiswert der AU-Bescheinigung erschüttern. Typische Zweifel entstehen etwa bei:

  • Arbeitsunfähigkeit direkt nach einer Kündigung
  • Auffällig häufigen Kurzzeiterkrankungen
  • Widersprüchlichem Verhalten während der Krankschreibung

zurück

Welche Rolle spielt die ärztliche Diagnose bei Streitigkeiten um die Entgeltfortzahlung?

Die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hat einen hohen Beweiswert für das Vorliegen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Wenn Sie eine ordnungsgemäß ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen, reicht dies normalerweise als Nachweis für den Anspruch auf Entgeltfortzahlung aus.

Bedeutung der ärztlichen Dokumentation

Die ärztliche Diagnose gewinnt besondere Bedeutung, wenn der Arbeitgeber begründete Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit vorbringt. In diesem Fall müssen Sie als Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeit anderweitig nachweisen, etwa durch:

  • Detaillierte Angaben zu Krankheitssymptomen
  • Informationen über die erhaltene Behandlung
  • Dokumentation der verschriebenen Medikamente
  • Nachweis über vereinbarte Facharzttermine

Erschütterung des Beweiswertes

Der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann erschüttert werden, wenn bestimmte Umstände vorliegen. Dazu gehören:

  • Verstöße gegen die Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie bei der Ausstellung
  • Widersprüche zwischen der ärztlichen Dokumentation und Ihrem Verhalten
  • Auffällige zeitliche Übereinstimmungen mit anderen Ereignissen, wie etwa einer Kündigung

Beweislast im Streitfall

Wird der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert, tritt eine besondere Situation ein: Sie müssen als Arbeitnehmer konkrete Tatsachen darlegen, die Ihre Arbeitsunfähigkeit belegen. Dies kann durch eine ausführliche ärztliche Dokumentation oder die Aussage des behandelnden Arztes als sachverständiger Zeuge erfolgen.

Die ärztliche Diagnose muss dabei nachvollziehbar und schlüssig sein. Wenn Sie etwa eine Folgebescheinigung vorlegen, sollte diese mit der Erstdiagnose in einem plausiblen Zusammenhang stehen.


zurück


Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar - Fachbegriffe aus dem Arbeitsrecht

Glossar


Juristische Fachbegriffe kurz erklärt

Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Ein ärztliches Dokument, das die krankheitsbedingte Unfähigkeit zur Arbeitsleistung bestätigt. Die AU-Bescheinigung (Krankschreibung) ist nach § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz die gesetzlich vorgeschriebene Form des Nachweises der Arbeitsunfähigkeit gegenüber dem Arbeitgeber. Der Arzt muss dabei die Arbeitsunfähigkeit durch persönliche Untersuchung feststellen. Die Bescheinigung enthält Angaben über Beginn und voraussichtliche Dauer der Erkrankung. Beispiel: Ein Arbeitnehmer mit Grippe lässt sich vom Arzt untersuchen und erhält eine AU-Bescheinigung für 7 Tage.


Zurück

Entgeltfortzahlung

Der gesetzliche Anspruch des Arbeitnehmers auf Weiterzahlung des Arbeitslohns im Krankheitsfall. Nach § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz hat der Arbeitnehmer für maximal 6 Wochen Anspruch auf 100% seines regulären Arbeitsentgelts, wenn er unverschuldet arbeitsunfähig erkrankt ist. Voraussetzung ist ein bestehendes Arbeitsverhältnis von mindestens 4 Wochen. Die Entgeltfortzahlung beginnt am ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit und muss durch eine AU-Bescheinigung nachgewiesen werden.


Zurück

Ernsthafte Zweifel

Ein rechtlicher Begriff, der die qualifizierten Bedenken des Arbeitgebers an der Richtigkeit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beschreibt. Nach § 275 ZPO muss der Arbeitgeber konkrete Tatsachen darlegen, die den Beweiswert der AU-Bescheinigung erschüttern. Bloße Vermutungen reichen nicht aus. Beispiel: Eine zeitliche Nähe zwischen abgelehntem Urlaubsantrag und Krankschreibung kann ein Indiz sein, reicht aber allein nicht als ernsthafter Zweifel.


Zurück

Beweiswert

Die rechtliche Aussagekraft und Überzeugungskraft eines Beweismittels im gerichtlichen Verfahren. Bei der AU-Bescheinigung besteht nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zunächst ein hoher Beweiswert als öffentliche Urkunde nach § 415 ZPO. Dieser kann durch substantiierte Einwände erschüttert werden. Der Arbeitgeber muss dafür Tatsachen vortragen, die ernsthafte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit begründen. Beispiel: Wenn ein Arbeitnehmer während der Krankschreibung einer Nebentätigkeit nachgeht.


Zurück

Erschöpfungsdepression

Eine Form der psychischen Erkrankung, die durch anhaltende körperliche und seelische Erschöpfungszustände gekennzeichnet ist. Nach ICD-10 F32 wird sie den depressiven Episoden zugeordnet. Sie äußert sich durch Symptome wie Antriebslosigkeit, Konzentrationsstörungen und emotionale Erschöpfung. Die Erkrankung kann die Arbeitsfähigkeit erheblich einschränken und eine längerfristige Arbeitsunfähigkeit begründen. Typische Auslöser sind anhaltende Stresssituationen am Arbeitsplatz.

Zurück


Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 3 Absatz 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG): Dieser Paragraph regelt den Anspruch von Arbeitnehmern auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall. Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer ununterbrochen länger als vier Wochen im Arbeitsverhältnis steht und arbeitsunfähig erkrankt ist. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, das Gehalt für bis zu sechs Wochen weiterzuzahlen.

    Im vorliegenden Fall hat die Klägerin eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Zeitraum vom 22.05.2023 bis zum 15.06.2023 vorgelegt. Der Arbeitgeber verweigerte die Zahlung des Entgeltsfortzahlung, was gemäß § 3 Absatz 1 Satz 1 EFZG unrechtmäßig ist.

  • § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG): Dieser Paragraph legt die Pflichten des Arbeitnehmers während einer Arbeitsunfähigkeit fest. Der Arbeitnehmer muss den Arbeitgeber unverzüglich über die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer informieren sowie eine ärztliche Bescheinigung vorlegen.

    Die Klägerin hat ihren Arbeitgeber am 22.05.2023 telefonisch über ihre Erkrankung informiert und die erforderliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eingereicht. Somit hat sie ihren Pflichten gemäß § 5 EFZG nachgekommen.

  • § 3 Absatz 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG): Dieser Abschnitt verpflichtet den Arbeitnehmer, spätestens am vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen. Ohne diese Bescheinigung kann der Anspruch auf Entgeltfortzahlung verfallen.

    Obwohl die Klägerin die Bescheinigung am selben Tag der Krankmeldung vorlegte, hinterfragte der Arbeitgeber die Gültigkeit aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs mit der Kündigung und dem Urlaubsantrag, was jedoch rechtlich nicht zulässig ist.

  • § 4 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG): Dieser Paragraph bestimmt die Dauer der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall auf maximal sechs Wochen pro Erkrankung. Danach kann der Arbeitnehmer Krankengeld von der Krankenkasse erhalten.

    Der Streit betrifft den Zeitraum der Fortzahlung vom 22.05.2023 bis zum 15.06.2023, welcher innerhalb der sechs Wochen liegt. Der Arbeitgeber war verpflichtet, in diesem Zeitraum die Entgeltfortzahlung zu leisten.

  • Kündigungsschutzgesetz (KSchG): Dieses Gesetz schützt Arbeitnehmer vor sozial ungerechtfertigten Kündigungen. Eine Kündigung ist nur aus verhaltens-, personen- oder betriebsbedingten Gründen zulässig.

    Im Fall der Klägerin erfolgte die Kündigung zum 15.06.2023, kurz nach der Krankmeldung. Der Arbeitgeber begründete Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit, was jedoch nicht als gerechtfertigter Kündigungsgrund anerkannt wurde, da die Kündigung im Zusammenhang mit der Krankheit keinen rechtmäßigen Grund darstellt.


Das vorliegende Urteil


ArbG Berlin – Az.: 22 Ca 8667/23 – Urteil vom 19.03.2024


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Arbeitsrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Arbeitsrecht. Vom Arbeitsvertrag bis zur Kündigung. Nehmen Sie noch heute Kontakt zu uns auf.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Arbeitsrecht einfach erklärt

Weitere interessante arbeitsrechtliche Urteile

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!