Übersicht:
- Fristlose Kündigung: Rechte und Risiken bei krankheitsbedingten Entlassungen
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche Voraussetzungen müssen für eine außerordentliche krankheitsbedingte Kündigung erfüllt sein?
- Ab welchem Umfang von Fehlzeiten können betriebliche Interessen erheblich beeinträchtigt sein?
- Wie unterscheidet sich der Kündigungsschutz bei ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern?
- Welche Rolle spielen Vertretungsregelungen bei der Bewertung betrieblicher Störungen?
- Welcher Betrachtungszeitraum ist für die Beurteilung von Fehlzeiten maßgeblich?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
- Datum: 20.06.2024
- Aktenzeichen: 8 Sa 560/23
- Verfahrensart: Berufungsverfahren in einem Kündigungsschutzstreit
- Rechtsbereiche: Arbeitsrecht
Beteiligte Parteien:
- Beklagte (Arbeitgeberin): Die Beklagte versucht, die außerordentliche krankheitsbedingte Kündigung des Klägers durchzusetzen, und argumentiert mit einer negativen Gesundheitsprognose des Klägers, die angeblich zu Beeinträchtigungen im Betriebsablauf und zu wirtschaftlichen Belastungen führt.
- Kläger (Arbeitnehmer): Der Kläger widerspricht der Kündigung und verteidigt sich damit, dass seine gesundheitlichen Probleme ausgeheilt sind und keine signifikanten zukünftigen Ausfallzeiten zu erwarten sind. Er bestreitet, dass es ein gravierendes Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung gibt.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Der Kläger wurde aufgrund häufiger Kurzerkrankungen außerordentlich gekündigt. Diese Kündigung wurde vom Arbeitsgericht Siegburg als unwirksam erklärt. Die Beklagte legte Berufung gegen dieses Urteil ein, basierend auf der Einschätzung einer negativen Gesundheitsprognose und damit verbundenen betrieblichen Störungen und wirtschaftlichen Belastungen.
- Kern des Rechtsstreits: Die Frage ist, ob die durch häufige Erkrankungen des Klägers entstehenden Belastungen für den Arbeitgeber einen wichtigen Grund für eine Außerordentliche Kündigung darstellen.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Berufung der Beklagten wurde vom Landesarbeitsgericht Köln zurückgewiesen. Die außerordentliche Kündigung ist unwirksam.
- Begründung: Die prognostizierten Fehlzeiten des Klägers in Bezug auf die wirtschaftlichen Belastungen und Betriebsablaufstörungen reichen nicht aus, um eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Die Voraussetzungen für die Annahme eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB liegen nicht vor.
- Folgen: Die Beklagte muss die Kosten des Berufungsverfahrens tragen. Da die Revision nicht zugelassen wurde, ist die Entscheidung endgültig. Der Kläger bleibt trotz bestehender Kündigung weiterhin im Arbeitsverhältnis.
Fristlose Kündigung: Rechte und Risiken bei krankheitsbedingten Entlassungen
Eine fristlose Kündigung kann für Arbeitnehmer eine gravierende Wendung im Berufsleben darstellen, insbesondere wenn sie krankheitsbedingt erfolgt. Im Arbeitsrecht gibt es strenge Vorgaben und Regelungen, die den Kündigungsschutz stärken und die Rechte von Arbeitnehmern wahren. Arbeitgeber dürfen nicht willkürlich kündigen; vielmehr müssen sie eindeutige Kündigungsgründe vorweisen können, beispielsweise eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen durch Gesundheitsprobleme am Arbeitsplatz. Solche Kündigungen können oft komplexe rechtliche Fragestellungen aufwerfen, insbesondere in Bezug auf die Sozialwidrigkeit und die Einhaltung von Kündigungsfristen.
Wenn ein Mitarbeiter aufgrund von anhaltender Arbeitsunfähigkeit gekündigt wird, müssen sowohl Arbeitgeberpflichten als auch der Dienstunfähigkeitsnachweis berücksichtigt werden. Die rechtlichen Grundlagen sind entscheidend, um zu verstehen, welche Schritte bei einer Kündigung einzuleiten sind und welche Ansprüche der Arbeitnehmer hat. Im Folgenden wird ein konkreter Fall beleuchtet, der diese Aspekte aufgreift und analysiert.
Der Fall vor Gericht
Krankheitsbedingte Kündigung bei ordentlich unkündbarem Arbeitnehmer gescheitert
Das Landesarbeitsgericht Köln hat die außerordentliche krankheitsbedingte Kündigung eines tariflich unkündbaren Mitarbeiters für unwirksam erklärt. Die Berufung des Arbeitgebers gegen das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg wurde zurückgewiesen.
Kündigungsgrund häufige Kurzerkrankungen
Der als Telefonist beschäftigte Kläger war wegen häufiger Kurzerkrankungen von seinem Arbeitgeber außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 31.12.2023 gekündigt worden. Die Krankheitsausfälle resultierten aus verschiedenen gesundheitlichen Problemen, darunter eine Meniskusverletzung, Bandscheibenprobleme und Migräneerkrankungen. Der Arbeitgeber sah durch die Fehlzeiten erhebliche Störungen im Betriebsablauf und eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung gegeben.
Strenge Anforderungen an außerordentliche Kündigung nicht erfüllt
Das Gericht stellte in seiner Begründung klar, dass bei einem ordentlich unkündbaren Arbeitsverhältnis eine außerordentliche Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen nur unter sehr strengen Voraussetzungen möglich ist. Die zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten müssten durchschnittlich für mehr als ein Drittel der Arbeitstage pro Jahr aufzuwenden sein. Diese Schwelle wurde hier nicht erreicht: In den drei Jahren vor der Kündigung musste der Arbeitgeber nur im letzten Jahr für mehr als ein Drittel der Arbeitstage Entgeltfortzahlung leisten. Im Durchschnitt der drei Jahre lag der Wert darunter.
Vertretungsorganisation keine unzumutbare Belastung
Die vom Arbeitgeber angeführten Betriebsablaufstörungen rechtfertigten nach Ansicht des Gerichts ebenfalls keine außerordentliche Kündigung. Zwar sei die Besetzung der Telefonzentrale von essentieller Bedeutung und Ausfälle erforderten Vertretungen. Die fehlende Planbarkeit und Vertretungsnotwendigkeit bei Kurzerkrankungen stelle jedoch ohne weitere besondere Umstände keine außergewöhnliche Belastung dar, sondern gehöre zu den regelmäßig zu bewältigenden Schwierigkeiten. Der Arbeitgeber konnte nicht darlegen, dass durch den Einsatz von Mitarbeitenden aus dem stabsinternen Personalpool relevante Störungen im Betriebsablauf entstanden waren.
Rechtliche Grundlagen der Entscheidung
Nach § 626 Abs. 1 BGB erfordert eine außerordentliche Kündigung einen wichtigen Grund. Bei krankheitsbedingten Kündigungen muss zunächst eine Negative Gesundheitsprognose vorliegen. Die prognostizierten Fehlzeiten müssen zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führen, die deutlich über das Maß hinausgeht, welches eine ordentliche Kündigung rechtfertigen würde. Der Leistungsaustausch muss schwer gestört sein und ein gravierendes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestehen. Diese Voraussetzungen waren im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil stärkt den Kündigungsschutz bei krankheitsbedingten Kündigungen deutlich. Auch bei häufigen Kurzerkrankungen muss der Arbeitgeber sehr hohe Hürden überwinden, um eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen zu können. Eine negative Gesundheitsprognose und erhebliche betriebliche Beeinträchtigungen allein reichen nicht aus – es muss ein gravierendes Missverhältnis zwischen Arbeitsleistung und Vergütung vorliegen. Als Richtwert gilt hier eine Entgeltfortzahlung von mehr als 33% der jährlichen Arbeitszeit.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Als Arbeitnehmer haben Sie auch bei häufigen krankheitsbedingten Fehlzeiten einen starken Kündigungsschutz. Solange Ihre Fehlzeiten unter etwa einem Drittel der jährlichen Arbeitszeit liegen, kann Ihr Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht außerordentlich kündigen – selbst wenn Sie Ordentlich unkündbar sind. Der Arbeitgeber muss außerdem konkret nachweisen, dass Ihre Erkrankungen den Betriebsablauf erheblich stören und auch in Zukunft mit weiteren Ausfällen zu rechnen ist. Im Zweifel sollten Sie sich bei einer krankheitsbedingten Kündigung rechtlich beraten lassen, da die Chancen gut stehen, sich erfolgreich dagegen zu wehren.
Kündigungsschutz bei Krankheit – Ihre Rechte kennen
Gerade bei häufigen Kurzerkrankungen ist die Rechtslage komplex und die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes groß. Wir helfen Ihnen, Ihre Rechte zu verstehen und sich gegen eine ungerechtfertigte Kündigung zu wehren. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln zeigt: Auch bei ordentlicher Unkündbarkeit ist Ihr Kündigungsschutz stark. Gerne prüfen wir Ihren individuellen Fall und beraten Sie zu den bestmöglichen Handlungsoptionen.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche Voraussetzungen müssen für eine außerordentliche krankheitsbedingte Kündigung erfüllt sein?
Eine außerordentliche krankheitsbedingte Kündigung ist nur unter sehr strengen Voraussetzungen möglich. Der Arbeitgeber muss dabei nicht die übliche Kündigungsfrist einhalten.
Grundvoraussetzungen
Die außerordentliche Kündigung setzt voraus, dass die Einhaltung der Kündigungsfrist für den Arbeitgeber unzumutbar ist. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die ordentliche Kündigung aufgrund tarifvertraglicher oder einzelvertraglicher Vereinbarungen ausgeschlossen ist.
Verschärfte Anforderungen
Bei einer außerordentlichen krankheitsbedingten Kündigung gelten deutlich höhere Maßstäbe als bei einer ordentlichen Kündigung:
Die negative Krankheitsprognose muss durch einen besonders hohen Krankenstand nachgewiesen werden. Konkret bedeutet dies mindestens ein Drittel Krankheitstage innerhalb von drei Jahren.
Die betriebliche Beeinträchtigung muss außergewöhnlich schwerwiegend sein. Eine solche liegt vor, wenn der Betrieb durch die andauernde Arbeitsunfähigkeit stark gefährdet ist und dessen Existenz bedroht wird.
Rechtliche Besonderheiten
Bei der außerordentlichen Kündigung muss der Arbeitgeber eine Auslauffrist einhalten, die der Dauer der gesetzlichen Kündigungsfrist entspricht. Zudem gilt eine Zwei-Wochen-Frist für den Ausspruch der Kündigung, die beginnt, sobald der Arbeitgeber von den maßgeblichen Kündigungsgründen Kenntnis erlangt.
Eine vorherige Abmahnung ist bei krankheitsbedingten Kündigungen nicht erforderlich, da es sich nicht um ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers handelt.
Ab welchem Umfang von Fehlzeiten können betriebliche Interessen erheblich beeinträchtigt sein?
Eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen liegt typischerweise vor, wenn die Fehlzeiten mehr als 30 Arbeitstage pro Jahr (entspricht sechs Wochen) betragen.
Wirtschaftliche Belastungen
Die wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers wird anhand der Entgeltfortzahlungszeiträume der letzten drei Jahre bewertet. Eine kündigungsrelevante Belastung entsteht, wenn die jährlichen Entgeltfortzahlungskosten den Betrag übersteigen, der für sechs Wochen Entgeltfortzahlung anfällt.
Betrachtungszeitraum und Häufigkeit
Bei der Bewertung der Fehlzeiten betrachten Gerichte die letzten drei Jahre vor der Kündigung. Wenn Sie in diesem Zeitraum durchgehend mehr als 30 Tage pro Jahr krankheitsbedingt gefehlt haben, können die betrieblichen Interessen erheblich beeinträchtigt sein.
Besonderheiten bei Kurzerkrankungen
Bei häufigen Kurzerkrankungen entstehen besondere Belastungen für den Betrieb durch:
- Organisatorische Probleme bei der Vertretung
- Mehrbelastung anderer Mitarbeiter durch Überstunden
- Störungen im Betriebsablauf
In Einzelfällen können auch deutlich geringere Fehlzeiten eine Kündigung rechtfertigen. So wurde in der Rechtsprechung bereits eine Kündigung nach nur 12 Fehltagen für wirksam erklärt. In anderen Fällen reichten selbst durchschnittlich 40 Fehltage pro Jahr nicht für eine Kündigung aus.
Wie unterscheidet sich der Kündigungsschutz bei ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern?
Der Kündigungsschutz für ordentlich unkündbare Arbeitnehmer geht deutlich über den regulären Kündigungsschutz hinaus. Wenn Sie als Arbeitnehmer ordentlich unkündbar sind, kann Ihnen der Arbeitgeber nur noch aus wichtigem Grund nach § 626 BGB außerordentlich kündigen.
Voraussetzungen der Unkündbarkeit
Die ordentliche Unkündbarkeit tritt häufig durch tarifvertragliche Regelungen ein. Im öffentlichen Dienst gilt sie beispielsweise ab dem 40. Lebensjahr bei einer Beschäftigungsdauer von mehr als 15 Jahren. In der Privatwirtschaft ist die Unkündbarkeit oft an ein Alter zwischen 53 und 58 Jahren gekoppelt, verbunden mit einer längeren Betriebszugehörigkeit.
Besonderheiten bei der außerordentlichen Kündigung
Bei ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern gelten erhöhte Anforderungen an eine außerordentliche Kündigung. Eine solche Kündigung ist nur möglich bei:
- Schweren Pflichtverletzungen, wie Diebstahl oder beharrlicher Arbeitsverweigerung
- Wesentlicher Einschränkung oder Auflösung der Einrichtung
- In sehr seltenen Fällen bei krankheitsbedingten Gründen
Besonderheiten bei Krankheit
Bei krankheitsbedingten Kündigungen von unkündbaren Mitarbeitern gelten besonders strenge Maßstäbe. Eine außerordentliche Kündigung wegen Krankheit kommt nur in Betracht, wenn:
- Die Fehlzeiten zu erheblichen betrieblichen Störungen führen
- Eine negative Gesundheitsprognose vorliegt
- Die Interessenabwägung deutlich zugunsten des Arbeitgebers ausfällt
Dabei müssen die wirtschaftlichen Belastungen für den Arbeitgeber deutlich über das normale Maß hinausgehen. Die reine Entgeltfortzahlung für sechs Wochen reicht in der Regel nicht aus, um eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.
Welche Rolle spielen Vertretungsregelungen bei der Bewertung betrieblicher Störungen?
Vertretungsregelungen sind ein zentrales Element bei der Beurteilung betrieblicher Störungen durch krankheitsbedingte Ausfälle. Die Existenz und Qualität von Vertretungsregelungen beeinflusst maßgeblich, ob eine betriebliche Störung als erheblich einzustufen ist.
Bedeutung einer strukturierten Vertretungsregelung
Eine gut durchdachte Vertretungsregelung verhindert, dass Arbeit liegen bleibt, wichtige Nachrichten unbeantwortet bleiben oder Projekte ins Stocken geraten. Fehlt eine solche Regelung, können bereits kurze Ausfälle zu erheblichen betrieblichen Störungen führen.
Anforderungen an eine wirksame Vertretung
Die Vertretungsregelung muss konkrete Festlegungen zu folgenden Aspekten enthalten:
- Auswahl einer fachlich geeigneten Vertretungsperson mit notwendigen Kompetenzen
- Festlegung des zeitlichen Umfangs der Vertretung
- Klare Definition der zu übernehmenden Aufgaben
- Regelung der erforderlichen Zugänge und Informationen
Rechtliche Bewertung der Vertretungssituation
Bei der Beurteilung einer krankheitsbedingten Kündigung wird geprüft, ob die betrieblichen Störungen durch zumutbare Überbrückungsmaßnahmen abgefangen werden können. Eine fehlende oder mangelhafte Vertretungsregelung kann dabei nicht automatisch zu Lasten des erkrankten Arbeitnehmers gehen.
Die Schwelle zur erheblichen Betriebsstörung ist erst dann überschritten, wenn trotz angemessener Vertretungsregelungen der Betriebsablauf nachhaltig gestört wird oder unverhältnismäßige wirtschaftliche Belastungen entstehen. Dabei sind insbesondere Umsatzeinbußen und zusätzliche Personalkosten zu berücksichtigen.
Grenzen der Vertretungspflicht
Der Arbeitgeber ist nicht zur Bildung einer dauerhaften Personalreserve verpflichtet. Allerdings muss er zumutbare organisatorische Maßnahmen ausschöpfen, bevor eine krankheitsbedingte Kündigung gerechtfertigt ist. Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit spielen die Betriebsgröße und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eine wichtige Rolle.
Welcher Betrachtungszeitraum ist für die Beurteilung von Fehlzeiten maßgeblich?
Für die Beurteilung krankheitsbedingter Fehlzeiten ist ein Beobachtungszeitraum von mindestens 24 Monaten vor Ausspruch der Kündigung erforderlich. Auf der rechtlich sicheren Seite befinden Sie sich mit einem Betrachtungszeitraum von 36 Monaten.
Zeitliche Bewertung der Fehlzeiten
Die Arbeitsgerichte prüfen bei ihrer Entscheidung die letzten drei Jahre vor der Kündigung. In diesem Zeitraum gelten Fehlzeiten von mehr als 30 Tagen (sechs Wochen) pro Jahr grundsätzlich als unzumutbar.
Besonderheiten bei verschiedenen Kündigungsarten
Bei einer ordentlichen Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen reicht ein Beobachtungszeitraum von 24 Monaten aus. Für eine außerordentliche Kündigung verlangt das Bundesarbeitsgericht hingegen zwingend einen Betrachtungszeitraum von 36 Monaten.
Bedeutung der Gesamtbeschäftigungsdauer
Die Fehlzeiten müssen immer in Relation zur gesamten Beschäftigungsdauer gesetzt werden. Wenn Sie beispielsweise über viele Jahre hinweg unauffällig waren und erst in den letzten Jahren vermehrt Fehlzeiten aufweisen, kann dies zu Ihren Gunsten in die Bewertung einfließen.
Prognose für die Zukunft
Der Betrachtungszeitraum dient als Grundlage für die Zukunftsprognose. Die vergangenen Fehlzeiten sind dabei nur ein Indiz. Entscheidend ist, ob auch künftig mit erheblichen Fehlzeiten zu rechnen ist. Die Prognose muss sich auf objektive Tatsachen stützen, die zum Zeitpunkt der Kündigung vorliegen.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Außerordentliche Kündigung
Eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist nach § 626 BGB. Sie ist nur zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, die es dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände unzumutbar machen, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen. Beispiele sind schwere Pflichtverletzungen wie Diebstahl oder anhaltende Krankheit mit erheblicher betrieblicher Beeinträchtigung. Die Kündigung muss innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntwerden der Gründe erfolgen.
Soziale Auslauffrist
Eine vom Gericht festgelegte Zeitspanne bei einer außerordentlichen Kündigung, die dem Arbeitnehmer einen milderen Übergang ermöglicht. Sie orientiert sich meist an der regulären Kündigungsfrist, die bei einer ordentlichen Kündigung gelten würde. Dies ist besonders relevant bei krankheitsbedingten Kündigungen, wo keine schwere Pflichtverletzung vorliegt. Die Frist gibt dem Arbeitnehmer Zeit, sich beruflich neu zu orientieren.
Ordentlich unkündbar
Ein besonderer Kündigungsschutz, der meist durch Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag gewährt wird und eine ordentliche Kündigung ausschließt. Das Arbeitsverhältnis kann dann nur noch durch eine außerordentliche Kündigung beendet werden. Diese Unkündbarkeit greift häufig nach einer bestimmten Betriebszugehörigkeit oder ab einem bestimmten Alter. Sie bietet einen erweiterten Schutz über das Kündigungsschutzgesetz hinaus.
Entgeltfortzahlung
Die gesetzlich vorgeschriebene Weiterzahlung des Arbeitslohns im Krankheitsfall nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG). Arbeitgeber müssen für bis zu sechs Wochen pro Krankheitsfall das volle Gehalt weiterzahlen. Bei mehreren unterschiedlichen Erkrankungen beginnt die Sechs-Wochen-Frist jeweils neu. Erst danach tritt die Krankenversicherung mit Krankengeld ein.
Negative Gesundheitsprognose
Eine ärztliche oder fachliche Einschätzung über den zukünftigen Gesundheitszustand eines Arbeitnehmers, die weitere erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten erwarten lässt. Sie ist eine zentrale Voraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung nach § 1 KSchG. Die Prognose muss auf objektiven Umständen basieren und zum Zeitpunkt der Kündigung eine deutliche Wahrscheinlichkeit weiterer Erkrankungen aufzeigen.
Betriebsablaufstörung
Eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Abläufe, die durch Fehlzeiten oder andere Umstände verursacht wird. Im Kontext krankheitsbedingter Kündigungen muss der Arbeitgeber konkret nachweisen, dass die Störungen über das übliche Maß hinausgehen und zu unzumutbaren wirtschaftlichen oder organisatorischen Belastungen führen. Bloße Unannehmlichkeiten oder normale Vertretungssituationen reichen nicht aus.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 626 Abs. 1 BGB (außerordentliche Kündigung): Dieser Paragraph regelt die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses. Eine solche Kündigung ist nur möglich, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber unzumutbar macht. Im vorliegenden Fall prüfte das Gericht, ob die häufigen Kurzerkrankungen des Arbeitnehmers einen solchen wichtigen Grund darstellen.
- § 626 Abs. 1 BGB (negativer Gesundheitsprognose): Für eine krankheitsbedingte Kündigung ist eine negative Gesundheitsprognose erforderlich. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer auch in Zukunft voraussichtlich aufgrund seiner Erkrankung arbeitsunfähig sein wird. Im Fall des Telefonisten musste das Gericht die Prognose seiner zukünftigen Arbeitsfähigkeit aufgrund seiner verschiedenen gesundheitlichen Probleme (Meniskusverletzung, Bandscheibenprobleme, Migräne) beurteilen.
- § 626 Abs. 1 BGB (Interessenabwägung): Bei einer außerordentlichen Kündigung müssen die Interessen des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen die Interessen des Arbeitnehmers am Erhalt seines Arbeitsplatzes abgewogen werden. Im vorliegenden Fall stellte das Gericht fest, dass die Interessen des Arbeitgebers an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Interessen des Arbeitnehmers nicht überwiegen, da die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung nicht erfüllt waren.
- Tarifvertragliche Unkündbarkeit: Der Kläger war aufgrund eines Tarifvertrags ordentlich unkündbar. Tarifverträge können besondere Kündigungsschutzregelungen enthalten, die über den gesetzlichen Kündigungsschutz hinausgehen. Im vorliegenden Fall war relevant, dass eine außerordentliche Kündigung bei ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern nur unter sehr strengen Voraussetzungen möglich ist.
- Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall: Arbeitnehmer haben im Krankheitsfall einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber für einen bestimmten Zeitraum. Die Höhe und Dauer der Entgeltfortzahlung sind gesetzlich geregelt. Im vorliegenden Fall spielte die Entgeltfortzahlung eine Rolle bei der Beurteilung, ob die Fehlzeiten des Arbeitnehmers eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung für den Arbeitgeber darstellten.
Das vorliegende Urteil
Landesarbeitsgericht Köln – Az.: 8 Sa 560/23 – Urteil vom 20.06.2024
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