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Kündigung nach Weigerung eine Arbeitsfähigkeitsbescheinigung vorzulegen

Datenschutzverstoß und Kündigung: Konflikte um Arbeitsfähigkeitsbescheinigung und Abmahnungen

Die Frage der Rechtmäßigkeit einer Kündigung im Kontext der Nichtvorlage einer Arbeitsfähigkeitsbescheinigung stellt eine bedeutende Problemstellung im Arbeitsrecht dar. Hierbei geht es um die Abwägung zwischen den Pflichten des Arbeitnehmers, insbesondere im Hinblick auf Krankmeldungen, und den Rechten des Arbeitgebers, die Arbeitsfähigkeit zu überprüfen. Ebenso relevant sind dabei die Themen Abmahnungen und Datenschutz, die in solchen Fällen oft eine Rolle spielen. Beispielsweise kann die Handhabung von Entlassbriefen und anderen Dokumenten in der Personalakte zu Konflikten führen, die bis zu einem Datenschutzverstoß eskalieren können. Diese Thematik beleuchtet die Spannungsfelder im Entlassungsprozess und wirft Fragen zur Verhältnismäßigkeit und Rechtmäßigkeit von arbeitsrechtlichen Maßnahmen auf.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 26 Ca 6617/21   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Das Arbeitsgericht München entschied, dass eine Kündigung aufgrund der Weigerung, eine Arbeitsfähigkeitsbescheinigung vorzulegen, nicht gerechtfertigt ist, wenn die Betriebsärztin die Arbeitnehmerin irrtümlich ohne Untersuchung wegschickt. Zudem waren einige Abmahnungen unberechtigt oder rechtlich unzutreffend.

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Abmahnungen und Kündigung: Die Arbeitnehmerin erhielt mehrere Abmahnungen und wurde gekündigt, weil sie eine Arbeitsfähigkeitsbescheinigung nicht vorlegte.
  2. Datenschutzverstoß: Es gab Konflikte bezüglich eines mutmaßlichen Datenschutzverstoßes, als die Arbeitnehmerin vorschlug, Patientenakten auf CD zu brennen.
  3. Arbeitsgericht München: Das Gericht entschied, dass die Nichtvorlage einer Bescheinigung keine Kündigung rechtfertigt, wenn die Betriebsärztin die Arbeitnehmerin irrtümlich wegschickt.
  4. Unberechtigte Abmahnungen: Einige Abmahnungen, die die Arbeitnehmerin erhielt, waren teilweise unberechtigt oder rechtlich unzutreffend.
  5. Persönliche Leistungsfähigkeit: Die Leistungspflicht des Arbeitnehmers orientiert sich an seiner persönlichen Leistungsfähigkeit und ist nicht starr festgelegt.
  6. Fehler bei der Postversendung: Es gab einen Vorfall, bei dem die Arbeitnehmerin einen Entlassbrief falsch adressierte, was jedoch als Versehen eingestuft wurde.
  7. Datenschutz und Patientenakten: Die Arbeitnehmerin ließ sich die gesamte Patientenakte kopieren, was als datenschutzrechtlicher Verstoß angesehen wurde.
  8. Verhältnismäßigkeit: Das Gericht stellte fest, dass einige Maßnahmen des Arbeitgebers, wie sofortige Abmahnungen, als unverhältnismäßig betrachtet wurden.

Ein komplexer Fall: Kündigung und Abmahnungen

Im Mittelpunkt des vorliegenden Falles steht eine Auseinandersetzung zwischen einem Arbeitgeber, der mehrere Krankenhäuser betreibt, und einer Arbeitnehmerin, die aufgrund verschiedener Vorfälle gekündigt wurde. Die Arbeitnehmerin erhielt insgesamt fünf schriftliche Abmahnungen wegen angeblicher Verstöße gegen die Dienstanweisung, die vor ihrer krankheitsbedingten Abwesenheit erfolgt sein sollen. Nachdem die Arbeitnehmerin in den vergangenen Jahren mehrfach erkrankt war, entschied sich der Arbeitgeber, ihre Arbeitsfähigkeit überprüfen zu lassen. Die Arbeitnehmerin weigerte sich jedoch, eine Arbeitsfähigkeitsbescheinigung vorzulegen, und es kam zu weiteren Konflikten, einschließlich eines mutmaßlichen Datenschutzverstoßes.

Rechtliche Herausforderungen und Prüfungen

Die rechtliche Herausforderung in diesem Fall liegt in der Beurteilung, ob die Kündigungen und Abmahnungen gerechtfertigt waren. Es gibt verschiedene Aspekte zu berücksichtigen, darunter die Weigerung der Arbeitnehmerin, eine Arbeitsfähigkeitsbescheinigung vorzulegen, die Frage, ob die Abmahnungen berechtigt waren, und ob es zu einem Datenschutzverstoß kam. Die Zusammenhänge zwischen diesen verschiedenen Elementen sind komplex und erfordern eine sorgfältige rechtliche Prüfung.

Urteil des Arbeitsgerichts München

Das Arbeitsgericht München entschied, dass der Verstoß gegen die Pflicht des Arbeitnehmers, bei gegebener Veranlassung an einer ärztlichen Untersuchung zur Feststellung der Arbeitsfähigkeit mitzuwirken, eine Kündigung nicht rechtfertigen kann, wenn die Betriebsärztin die Arbeitnehmerin aufgrund eines Irrtums ohne Untersuchung wieder wegschickt. Das Gericht stellte fest, dass die Nichtvorlage einer Bescheinigung nicht nur für förmliche Abmahnungen gilt, sondern auch für sämtliche schriftlichen Rügen und Verwarnungen, die zu den Personalakten genommen werden und die berufliche Entwicklung des Arbeitnehmers nachteilig beeinflussen können.

Fazit und Auswirkungen des Urteils

Das Gericht entschied so, weil es eine Pflichtverletzung der Klägerin in Form der Schlechtleistung durch die Beklagte nicht als erwiesen ansah. Es wurde festgestellt, dass nicht nachgewiesen wurde, dass der Klägerin die fehlerhafte Adressierung des Entlassbriefes vorwerfbar ist. Zudem wurde festgestellt, dass die Abmahnungen, die die Klägerin erhalten hatte, teilweise unberechtigt oder rechtlich unzutreffend waren.

Die Auswirkungen dieses Urteils könnten weitreichend sein, insbesondere im Hinblick auf die Praxis von Arbeitgebern, Abmahnungen und Kündigungen auszusprechen. Es unterstreicht die Notwendigkeit für Arbeitgeber, sicherzustellen, dass ihre Handlungen rechtlich fundiert sind und dass die Rechte der Arbeitnehmer respektiert werden.

Das Fazit des Urteils ist, dass Arbeitgeber vorsichtig sein müssen, wenn sie Abmahnungen und Kündigungen aussprechen, und sicherstellen müssen, dass ihre Handlungen rechtlich haltbar sind. Es zeigt auch, dass Arbeitnehmer das Recht haben, ungerechtfertigte Abmahnungen anzufechten und dass ihre Arbeitsfähigkeit nicht ohne triftigen Grund in Frage gestellt werden sollte.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was bedeutet die Pflicht zur Vorlage einer Arbeitsfähigkeitsbescheinigung im Arbeitsrecht?

Die Pflicht zur Vorlage einer Arbeitsfähigkeitsbescheinigung im Arbeitsrecht bezieht sich auf die gesetzliche Verpflichtung von Arbeitnehmern, ihrem Arbeitgeber eine ärztliche Bescheinigung über ihre Arbeitsunfähigkeit vorzulegen, wenn sie aufgrund von Krankheit oder Verletzung nicht in der Lage sind, ihre vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. In Deutschland ist diese Pflicht im Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) geregelt.

Arbeitnehmer müssen ihren Arbeitgeber unverzüglich über ihre Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer informieren. Wenn die Krankheit länger als drei Tage dauert, muss die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung spätestens am vierten Tag dem Arbeitgeber vorliegen. Der Arbeitgeber darf jedoch auch schon zu einem früheren Zeitpunkt die Vorlage der Bescheinigung verlangen.

Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, auch als „gelber Schein“ oder „Krankenschein“ bezeichnet, wird von einem Arzt ausgestellt und dient als offizieller Nachweis für den Arbeitgeber, dass der Arbeitnehmer tatsächlich erkrankt ist und seine Arbeit unter diesen Umständen nicht antreten kann. Die Bescheinigung ist auch die Grundlage für die gesetzlich verpflichtende Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber im Krankheitsfall.

Es ist wichtig, dass Arbeitnehmer die Fristen für die Vorlage der Arbeitsfähigkeitsbescheinigung einhalten, da der Arbeitgeber andernfalls die Entgeltfortzahlung verweigern oder sogar eine Kündigung aussprechen kann.


Das vorliegende Urteil

ArbG München – Az.: 26 Ca 6617/21 – Endurteil vom 28.06.2022

Leitsätze:

1. Der Verstoß gegen eine tarif- oder einzelvertraglich geregelte Pflicht des Arbeitnehmers, bei gegebener Veranlassung auf Wunsch des Arbeitgebers an einer ärztlichen Untersuchung zur Feststellung der Arbeitsfähigkeit mitzuwirken, kann eine Kündigung nicht rechtfertigen, wenn die Betriebsärztin die Arbeitnehmerin aufgrund eines Irrtums ohne Untersuchung wieder weggeschickt. Die Nichtvorlage einer Bescheinigung iSd § 3 Abs. 4 S. 1 TVöD-K bis zum vom Arbeitgeber gesetzten Fristende ist dann nicht der Arbeitnehmerin anzulasten. (Rn. 60 – 62) (redaktioneller Leitsatz)

2. Arbeitnehmer können in entsprechender Anwendung von § 242, § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangen. Der Anspruch besteht, wenn die Abmahnung inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt. Dies gilt nicht nur für förmliche Abmahnungen, sondern für sämtliche schriftlichen Rügen, Verwarnungen und andere Schreiben, die zu den Personalakten genommen werden und die weitere berufliche Entwicklung des Arbeitnehmers nachteilig beeinflussen können. (Rn. 76 – 77) (redaktioneller Leitsatz)


1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die Kündigung vom 30.06.2021 noch durch die Kündigung vom 30.12.2021 aufgelöst wird.

2. Die Beklagte wird verurteilt, folgende Dokumente aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen:

  • Abmahnung vom 13.12.2019,
  • sämtliche Abmahnungen vom 01.10.2020,
  • Schreiben vom 23.02.2021,
  • sämtliche Abmahnungen vom 01.04.2021,
  • Abmahnung vom 23.04.2021,
  • Abmahnung vom 11.05.2021 sowie – Abmahnung vom 15.10.2021.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

4. Der Streitwert wird festgesetzt auf 64.146,42 €.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier ordentlicher Arbeitgeberkündigungen sowie über die Entfernung mehrerer Abmahnungen aus der Personalakte Die Beklagte betreibt in B.Stadt vier Krankenhäuser an verschiedenen Standorten sowie eine dermatologische Klinik. Sie beschäftigt ca. 7.000 Mitarbeiter. Ein Betriebsrat ist gebildet.

Die am 1961 geborene Klägerin war auf Grundlage der Arbeitsverträge vom 27.04.0211 und 12.07.2012 (Anlagen K1 und K2, Bl. 29 ff. d.A.) seit 01.05.2011 als medizinische Schreibkraft in der Abteilung Neurochirurgie im Klinikum B. in Vollzeit (38,5 Stunden pro Woche) gegen eine Vergütung von durchschnittlich 3.563,69 Euro brutto beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der TVöD-VKA Anwendung.

Am 08.08.2019 fand ein Personalgespräch der Beklagten mit der Klägerin zu den Themen Arbeitsleistung, Verhalten im Krankheitsfalle sowie Urlaubsplanung statt, worüber die Beklagten ein Protokoll (Anlage B8, Bl. 140 f. d.A.) fertigte.

Mit Datum vom 13.12.2019 erteilte die Beklagte der Klägerin eine schriftliche Abmahnung (Anlage B11, Bl. 155 d.A.) wegen falscher Aktensortierung.

Am 15.05.2020 fertigte die Beklagte eine schriftliche Dienstanweisung „Arbeitsaufgaben Schreibbüro“ (Anlage B13, Bl. 158 ff. d.A.), deren Inhalt sie mit der Klägerin in einem Personalgespräch am 17.06.2020 durchging.

Am 16.09.2020 stürzte die Klägerin nach eigenen Aussagen auf dem Klinikgelände der Beklagten, woraufhin sie längere Zeit krankheitsbedingt ausfiel. Am 01.06.2021 nahm sie ihre Tätigkeit im Rahmen einer Wiedereingliederung wieder auf.

Am 01.10.2020 erteilte die Beklagte der Klägerin insgesamt fünf schriftliche Abmahnungen wegen verschiedener Verstößen gegen die schriftliche Dienstanweisung, die sich noch vor ihrer krankheitsbedingten Abwesenheit erfolgt sein sollen (Anlagen B16 bis B20, Bl.163 ff. d.A.).

Mit Schreiben vom 23.02.2021 übersandte die Beklagte der Klägerin ein Schreiben wegen fehlerhafter Krankmeldung (Anlage B10, Bl. 154 d.A.), nachdem sich die Klägerin im Zeitraum vom 25.11.2019 bis 25.05.2021 46-mal per E-Mail bei Frau K. im Vorzimmer des Chefarztes der Neurochirurgie krankgemeldet hatte (Anlagenkonvolut Bl. 9, Bl. 142 ff. d. A.). Das Schreiben endet damit, dass die Klägerin bei gleichartigen oder ähnlichen Verstößen mit einer Abmahnung oder weiteren arbeitsrechtlichen Maßnahmen bis hin zur Kündigung rechnen müsse und das Schreiben zu ihrer Personalakte genommen werde.

Nachdem die Klägerin nicht nur in den vergangenen Jahren, sondern auch nach dem behaupteten Arbeitsunfall lange erkrankt war, entschied sich die Beklagte, die Arbeitsfähigkeit der Klägerin überprüfen zu lassen. Mit Schreiben vom 16.02.2021 forderte die Beklagte die Klägerin auf, sich gemäß § 3 Abs. 4 TVöD-VKA beim betriebsärztlichen Dienst zu melden und dort aussagekräftige Befunde etc. vorzulegen (Anlage B28, Bl. 177 d.A.). Die Klägerin meldete sich mit E-Mail vom 02.03.2021 bei der Beklagten und teilte mit, dass sie inzwischen einen Termin beim Betriebsarzt, Herrn Dr. B., vereinbart habe. Mit Schreiben vom 02.03.2021 (Anlage B29, Bl. 178 d.A.) wies die Beklagte die Klägerin auf ihre Pflicht zur Wahrnehmung des Termins sowie zur Vorlage einer Bescheinigung des betriebsärztlichen Dienstes hin und zwar bis zum 14.03.2021. Die Klägerin stellte sich am 11.03.2021 bei Herrn Dr. B. vom Betriebsärztlichen Dienst vor. Mit E-Mail vom selben Tag (Anlage B30, Bl. 281 d.A.) teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie wunschgemäß den Termin beim Betriebsarzt absolviert habe.

Mit Schreiben vom 01.04.2021 forderte die Beklagte die Klägerin wiederum auf, eine ärztliche Bescheinigung i.S.d. § 3 Abs. 4 Satz 1 TVöD vorzulegen und setzte hierfür eine Frist bis 12.04.2021 (Anlage B33, Bl. 289 d.A.). Gleichzeitig erhielt die Klägerin eine schriftliche Abmahnung vom 01.04.2021 wegen Versäumung der Frist zur Vorlage einer Arbeitsfähigkeitsbescheinigung bis 14.03.2021 (Anlage B32, Bl. 290 d.A.).

Mit weiterem Schreiben vom 01.04.2021 forderte die Beklagte die Klägerin auf, Angaben über den angeblichen Arbeitsunfall zu machen (Anlage B23, Bl. 265 f. d.A.). Am gleichen Tag erteilte die Beklagte der Klägerin eine schriftliche Abmahnung wegen unterlassener Angaben zum behaupteten Arbeitsunfall (Anlage B24, Bl. 172 d.A.).

Mit E-Mail vom 12.04.2021 (Anlage B26, Bl. 267 d.A.) teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie bereits Angaben zu ihrem Unfall gemacht habe und sandte der Beklagten in der Anlage eine „Unfallanzeige“ zu. Hinsichtlich der Betriebsarztbescheinigung teilte die Klägerin mit, dass sie noch krankgeschrieben sei und deshalb keine Arbeitsfähigkeitsbescheinigung abgeben könne. Den diesbezüglichen Abmahnungen widersprach sie.

Mit Schreiben vom 23.04.2021 (Anlage B34, Bl. 291 d.A.) teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass eine Bescheinigung nach § 3 Abs. 4 TVöD auch während der Arbeitsunfähigkeitsphase festgestellt werden könne, und forderte die Klägerin wiederum auf, eine Bescheinigung vorzulegen und zwar bis zum 07.05.2021. Mit Schreiben vom gleichen Tage (Anlage B34, Bl. 292 d.A.) wurde die Klägerin wegen des fehlenden Nachweises nach § 3 Abs. 4 TVöD schriftlich abgemahnt.

Mit Schreiben vom 03.05.2021 (Anlage B35, Bl. 293 d.A.) teilte die Klägerin mit, dass sie bereit sei, zum Betriebsarzt zu gehen, aber die Entbindung von der Schweigepflicht verweigere, da § 3 Abs. 4 TVöD eine solche Verpflichtung nicht vorsehe. Ebenso gab sie darin an, dass der Betriebsarzt die Erteilung der entsprechenden Bescheinigung verweigert habe, weil sie die Schweigepflichtentbindung nicht unterschreiben habe.

Mit Schreiben vom 11.05.2021 (Anlage B36, Bl. 294 d.A.) teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass es zutreffend sei, dass § 3 Abs. 4 TVöD keine Verpflichtung zur Schweigepflichtsentbindung nicht vorsehe und dies von ihr nicht eingefordert werde. Zugleich wurde die Klägerin wiederum aufgefordert, eine Bescheinigung vorzulegen und zwar bis zum 31.05.2021. Gleichzeitig erteilte die Beklagte der Klägerin eine schriftliche Abmahnung vom 11.05.2021 (Anlage B36, Bl. 295 d.A.).

Mit weiteren Schreiben der Klägerin vom 24.05.2021 (Anlage B37, Bl. 298 d.A.), bei der Beklagten am 02.06.2021 zugegangen, teilte sie der Beklagten u.a. mit, dass ihr der Betriebsarzt eine Schweigepflichtentbindung vorgelegt und zu ihr gesagt habe, sie müsse diese unterschrieben, sonst könne er nicht beginnen. Ebenfalls habe sie diesen auf ihre Krankschreibung wegen des Unfalls und auf die andauernde Behandlung durch ihren behandelnden Arzt hingewiesen.

Am 28.05.2021 nahm die Klägerin einen weiteren Termin beim Betriebsärztlichen Dienstwahr, diesmal bei Frau Dr. L. Mit E-Mail vom 30.05.2021 (Anlage B37, Bl. 297 d.A.) teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie den Termin wahrgenommen habe und eine Bescheinigung noch ausstehe.

Mit Schreiben vom 22.06.2021 (Anlage B40), diesem am selben Tag zugegangen, hörte die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten verhaltensbedingten Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin wegen der Nichtvorlage einer Bescheinigung i.S.d. § 3 Abs. 4 Satz 1 TVöD-VK an. Mit Schreiben vom 29.06.2021 (Anlage K5, Bl. 35 ff. d.A.) widersprach der Betriebsrat der Kündigung.

Mit Schreiben vom 30.06.2021 (Anlage K4, Bl. 34 d.A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.12.2021.

Mit Klage vom 06.07.2021 zum Arbeitsgericht München, am 19.07.2021 bei Gericht eingegangen und der Beklagten am 28.07.2021 zugestellt, wandte sich die Klägerin gegen die Kündigung vom 30.06.2021 sowie gegen die ihr bis dahin erteilten Abmahnungen.

Am 09.09.2021 wurde der Klägerin eine Aufforderung der I. Versicherung zur Bearbeitung weitergleitet. Die Versicherung wollte den OP-Bericht, das OP-Protokoll, Labor und mikrobiologische Befunde sowie Dokumentation, die die Kodierung der in Rechnung gestellten Entgelte rechtfertigte. Die Klägerin meinte gegenüber der Mitarbeiterin der Beklagten, Frau K., dass es einfacher wäre, die gesamte Patientenakte auf CD-Rom brennen zu lassen und an die Versicherung zu übersenden. Dem widersprach Frau K. aus datenschutzrechtlichen Gründen und wies die Klägerin explizit und mit Nachdruck daraufhin, dass es nicht erlaubt sei, die komplette Patientenakten der Versicherung zur Verfügung zu stellen, insbesondere, wenn diese nach spezifischen Unterlagen gefragt hätte. Mit E-Mail vom 10.09.2021 (Anlage B39) bat die Klägerin den Mitarbeiter B., die Patientenakte auf CD zu brennen. Diese wurde am 13.09.2021 per Hauspost vom Archiv in die Abteilung geschickt. Eine Versendung der CD-Rom mit der Patientenakte an die I. Versicherung durch die Klägerin erfolgte nicht.

Am 13.10.2021 versandte die Klägerin einen Entlassbrief, der für den Patienten Herrn M. B. bestimmt war, an Herrn P. B., der wie sein Namensvetter ebenfalls Patient der Neurochirurgie war. Der Brief enthielt über Herrn M. B. eine schriftliche Dokumentation dessen Aufenthalts auf der Station, die Diagnose und den Ablauf von dessen Behandlung. Herr P. B. sandte den für Herrn M. B. bestimmten Brief in der Folge mit einem entsprechenden handschriftlichen Vermerk, mit dem er auf die Fehladressierung hinwies, postalisch an die Beklagte zurück (Anlage B42, Bl. 380 f. d.A.).

Mit Schreiben vom 15.10.2021 (Anlage K29, Bl. 94 f. d.A.) mahnte die Beklagte die Klägerin wegen des Vorfalls mit der CD-Rom bezüglich der I. Versicherung ab.

Mit Klageerweiterung vom 26.10.2021, am 28.10.2021 bei Gericht eingegangen und der Beklagten zugestellt, wandte sich die Klägerin nunmehr auch gegen die schriftliche Abmahnung vom 15.10.2021.

Mit Schreiben vom 22.12.2021 (Anlage B44, Bl. 384 ff. d.A) hörte die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten verhaltensbedingten Kündigung wegen Verstoßes gegen die Dienstanweisung sowie Datenschutzverstoß im Hinblick auf den Entlassbrief an. Mit Schreiben vom 28.12.2021 widersprach der Betriebsrat der Kündigung.

Mit Schreiben vom 31.12.2021 (Anlage K31, Bl. 318 d.A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30.06.2022.

Mit Klageerweiterung vom 19.01.2022, am selben Tag bei Gericht eingegangen und der Beklagten am 20.01.2022 zugestellt, wandte sich die Klägerin auch gegen die Kündigung vom 30.06.2021.

Die Klägerin meint, dass sie einen Anspruch auf Entfernung der streitgegenständlichen Abmahnungen habe, da diese nicht rechtmäßig seien. Desweiteren sei ihr Arbeitsverhältnis weder durch die Kündigung vom 30.06.2021 noch durch die Kündigung vom 30.12.2021 wirksam beendet worden.

Hinsichtlich der Abmahnung vom 13.12.2019 zum Vorwurf der falschen Aktensortierung sei ihr kein Fehler unterlaufen. Die Akten befänden sich in einem offen zugänglichen Raum und würden im Verlauf des Bearbeitungsprozesses von verschiedenen Mitarbeitern bearbeitet, sodass keineswegs nachvollziehbar sei, wer wann die falschen Unterlagen in die Akten einsortiert habe. Sollte es ihr Fehler gewesen seien, so wäre dies bloß ein Versehen gewesen, welches nicht abnahmefähig sei.

Was die Abmahnungen vom 01.10.2020 anginge, seien ihr jeweils ebenfalls kein Fehlverhalten vorwerfbar. Auf angebliche Fehler sei sie vor Ausspruch der Abmahnungen auch nicht hingewiesen worden. Im Übrigen handelte es sich – selbst wenn – nur um geringfügige Nachlässigkeiten, wegen derer Abmahnungen völlig unverhältnismäßig wären.

Ebenso sei das Schreiben vom 23.02.2021 betreffend das Verfahren der Krankmeldung aus ihrer Personalakte zu nehmen. Dieses sei zwar nicht als Abmahnung betitelt, komme jedoch inhaltlich einer Abmahnung gleich. Der ihr vorgeworfene Pflichtenverstoß träfe nicht zu. Soweit beanstandet werde, ihre Krankmeldung sei nicht an die im Personalgespräch vereinbarte Adresse @ übersandt worden, sondern an das Vorzimmer des Chefarztes der Neurochirurgie, sei nicht nachvollziehbar, warum dies nicht mit der Abteilung Neurochirurgie gleichbedeutend sein solle. Ihr sei keine andere E-Mail-Adresse benannt worden. Ebenso stelle sich die Frage, warum sie im Laufe von 1 ½ Jahren kein einziges Mal auf diesen angeblich standardmäßigen Fehler hingewiesen worden sei.

Auch werde die Abmahnung vom 01.04.2021 betreffend angeblich fehlender Angaben zum Arbeitsunfall angegriffen, da sie zu ihrem Arbeitsunfall vom 16.09.2020 gegenüber der Beklagten umgehend Angaben gemacht habe. Bereits am 18.09.2090 habe sie eine ausführliche schriftliche Unfallanzeige per Post an die Beklagte geschickt (Anlage K22, Bl. 58 f. d.A.), woraus sich ergäbe, dass sie am 16.09.2020 auf dem Weg zur Mittagspause auf dem Klinikgelände gestürzt sei und welche Art von Verletzungen sie davongetragen habe. Zudem habe sie sich umgehend von einem Arzt der Berufsgenossenschaft untersuchen lassen, die auch alles Weitere veranlasst hätte. Das Aktenzeichen zum Vorgang lautete 63/13 172920-8. Warum die Beklagte von der Berufsgenossenschaft keine Auskunft erhalte, seine Frage, die sie weder beantworten könne noch müsse.

Die Abmahnung vom 01.04.2021 betreffend Vorlage einer betriebsärztlichen Bescheinigung sei rechtswidrig, da sie zu dem angeordneten Termin beim Betriebsrat erschienen sei. Allerdings sei es ihr nicht möglich gewesen, auch die geforderte Bescheinigung zu bekommen, da der Betriebsarzt Dr. B. sie erst habe untersuchen wollen, wenn sie eine Schweigepflichtentbindung der Beklagten (Anlage K 33, Bl. 349 d.A.) unterzeichne. Als sie dies abgelehnt habe, habe der Betriebsarzt sich strikt geweigert, mit der Untersuchung überhaupt zu beginnen. Insofern sei der Vorwurf einer Pflichtverletzung völlig unhaltbar. Es läge nicht in ihrem Verantwortungsbereich, wenn sich der Betriebsarzt weigere. Sie sei zu der Abgabe einer Schweigepflichtentbindung nicht verpflichtet. Ihre Mitwirkungspflicht habe sie nicht verletzt.

Auch die Abmahnungen vom 23.04.2021 und vom 11.05.2021 sowie Kündigung vom 30.06.2021, die alle denselben Vorwurf beträfen, seien rechtswidrig, da sie ihre Pflicht aus § 3 Abs. 4 TVöD nicht verletzt habe. Sie habe den Betriebsarzt aufgesucht. Auch habe die Beklagte zugestanden, dass sie zu einer Schweigepflichtentbindung nicht verpflichtet gewesen sei. Es sei jedoch ein Formular, ausgestellt von der Beklagten, übergeben worden, nach welcher sie den Betriebsarzt der Beklagten von der Schweigepflicht habe entbinden sollen. Zudem habe sie mitgeteilt, dass Sie derzeit arbeitsunfähig erkrankt sei, weswegen sie auch keinen Termin bei dem Betriebsarzt habe wahrnehmen müssen. Während der Arbeitsunfähigkeit müsse kein Arbeitnehmer arbeitsvertragliche Pflichten wahrnehmen, auch nicht die aus § 3 Abs. 4 TVöD, wie das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Az. 10 Sa 212/14) ausgeführt habe. Schließlich habe sie sich pflichtgemäß am 28.05.2021 der Betriebsärztin Dr. L. zur Verfügung gestellt. Auch hier sei es nie zu einer Untersuchung gekommen, weil die Betriebsärztin aufgrund der Aktenlage davon ausgegangen sei, dass sie bereits betriebsärztlich untersucht worden sei. Die Betriebsärztin habe ihr daher mitgeteilt, dass sie erst noch mit der Betriebsrätin Frau G. über diese Untersuchung sprechen müsse und habe Sie daher wieder nach Hause geschickt. Über die medizinische Vorgeschichte, ärztliche Befunde oder gar eine Schweigepflichtentbindung sei mit Frau Dr. L. überhaupt nicht gesprochen worden. Ihre Mitwirkungspflicht habe sie auch insofern nicht verletzt. Versäumnisse aus der Sphäre der Beklagten seien ihr nicht zurechenbar.

Weiterhin sei die Abmahnung vom 15.10.2021 rechtswidrig ergangen. Es sei zwar richtig, dass sie zunächst die Patientenakte auf CD angefordert habe, da ihr über das Archiv mitgeteilt worden sei, dass die Akte bereits digitalisiert worden sei. Unzutreffend sei der Vorwurf, dass sie eine CD mit einer kompletten Patientenakte an die I. Krankenversicherung versandt und damit gegen eine unmittelbare Anweisung verstoßen habe. Sie habe die Akte per Post versandt und zwar nur die angefragten Unterlagen im Umfang von 47 Kopien.

Zuletzt sei die Kündigung vom 30.12.2021 rechtswidrig. Nicht sie sei für die Erstellung der Entlassbriefe verantwortlich, sondern die behandelnden Ärzte. Diese diktierten den Brief in die dafür vorgesehene Formularmaske am PC, wobei die Patienten-Adresse bereits hinterlegt sei. Der Entlassbriefe werde dann ausgedruckt, von den behandelnden Ärzten unterschrieben und in die Patientenakte gelegt. Wenn die Patientenakte dann an Sie zurückgehe, bearbeite sie diese, indem sie in der SAP Liste am PC den Patientennamen suche, den Entlassbriefe in einen Briefumschlag mit Fenster stecke und in den Postausgang gebe. Dann markiere sie den Brief in der SAP Liste als versendet. Hierbei benutzte sie ausschließlich Briefumschläge mit Fenster für das Adressfeld.

Nach Rücknahme der sog. Schleppnetzanträge in der mündlichen Verhandlung vom 02.06.2022 hat die Klägerin zuletzt beantragt,

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 30.06.2021 aufgelöst wird.

2. Die Beklagte wird verpflichtet, die Abmahnung vom 13.12.2019 betreffend falscher Aktensortierung aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.

3. Die Beklagte wird verpflichtet, die Abmahnung vom 01.10.2020 betreffend Punkt 5 der „Dienstanweisung Arbeitsaufgaben Schreibbüro“ im Zusammenhang mit dem Urlaub eines Kollegen aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.

4. Die Beklagte wird verpflichtet, die Abmahnung vom 01.10.2020 betreffend Punkt 5 der „Dienstanweisung Arbeitsaufgaben Schreibbüro“ bezüglich gerader Kalenderwochen aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.

5. Die Beklagte wird verpflichtet, die Abmahnung vom 01.10.2020 betreffend Punkt

5.1 der „Dienstanweisung Arbeitsaufgaben Schreibbüro“ aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.

6. Die Beklagte wird verpflichtet, die Abmahnung vom 01.10.2020 betreffend Punkt

5.2 der „Dienstanweisung Arbeitsaufgaben Schreibbüro“ aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.

7. Die Beklagte wird verpflichtet, die Abmahnung vom 01.10.2020 betreffend Punkt 6 der „Dienstanweisung Arbeitsaufgaben Schreibbüro“ aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.

8. Die Beklagte wird verpflichtet, das Schreiben vom 23.02.2021 betreffend das Verfahren der Krankmeldung aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.

9. Die Beklagte wird verpflichtet, die Abmahnung vom 01.04.2021 betreffend die Angaben zum Arbeitsunfall aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.

10. Die Beklagte wird verpflichtet, die Abmahnung vom 01.04.2021 betreffend die Vorlage einer Betriebsärztlichen Bescheinigung aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.

11. Die Beklagte wird verpflichtet, die Abmahnung vom 23.04.2021 betreffend die Vorlage einer Betriebsärztlichen Bescheinigung aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.

12. Die Beklagte wird verpflichtet, die Abmahnung vom 11.05.2021 betreffend die Vorlage einer Betriebsärztlichen Bescheinigung aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.

13. Die Beklagte wird verpflichtet, die Abmahnung vom 15.10.2021 aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.

14. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch die Kündigung vom 30.12.2021 aufgelöst wird.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie vertritt die Ansicht, dass ein Anspruch auf Entfernung der streitgegenständlichen Abmahnungen aus der Personalakte nicht bestünde, da diese rechtmäßig erteilt worden seien. Das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin sei durch die Kündigung vom 30.06.2021, spätestens aber durch die Kündigung vom 30.12.2021 beendet worden.

Hinsichtlich der Abmahnung vom 13.12.2019 habe die Klägerin am 05.12.2019 bei der Bearbeitung von zwei Akten, für die sie zuständig gewesen sei, nicht die notwendige Sorgfalt walten lassen, da sie in diese Akten nicht die dazugehörigen Unterlagen einsortiert habe. Bei der Fallnummer 1190085504, Herr A., habe Klägerin Unterlagen einer anderen Patientin, Frau F., einsortiert. Bei der Fallnummer 1190082323, Frau F., seien Unterlagen von Frau M. sowie Frau F. einsortiert worden. Außerdem habe der OP-Bericht der Akte gefehlt. Nachdem die Klägerin mehrfach auf die richtige Aktenführung hingewiesen worden sei, habe man ihr die Abmahnung erteilt. Es sei nicht davon auszugehen, dass andere Mitarbeiter Dokumente in diese Akten einsortiert hätten.

Bezüglich der Abmahnungen vom 01.10.2020 habe sich die Klägerin nicht an die Vorgaben der Dienstanweisung vom 15.05.2020 gehalten. Was die Abmahnung bezüglich Stationsfächer (Anlage B16) angehe, sei die Klägerin ihrer Aufgabe, in den geraden Kalenderwochen im Chefarztsekretariat das Schreibzimmer und die Stationsfächer zu leeren und den Inhalt dieser Fächer zu bearbeiten, nicht nachgekommen. Hinsichtlich der Abmahnung bezüglich Urlaubsvertretung (Anlage B17) habe die Klägerin die Aufgaben von dem Kollegen Herrn K. im Rahmen der Urlaubsvertretung vom 21.08.2020 zum 28.08.2020 nicht übernommen, sodass diese schlechte Leistung mit der Abmahnung entsprechend gerügt wurde. Die Abmahnung betreffend mangelnde Bearbeitung (Anlage B18) sei ausgesprochen worden, da sich die Klägerin nicht an Punkt 6. der Dienstanweisung gehalten habe, wonach Aktenanfragen von Patienten, hausärztlichen Kliniken, Versicherungen, Anwälten etc. zu beantworten bzw. zu bearbeiten seien. Insbesondere seien keinerlei Dokumente eingescannt worden, im System SAP habe sie keine einzige Schweigepflichtentbindung hinterlegt. Mit der Abmahnung hinsichtlich mangelnder Postverteilung (Anlage B19) sei ein Verstoß gegen die Dienstanweisung in Punkt 5.2. gerügt worden, wonach die Klägerin in geraden Kalenderwochen verpflichtet sei, die Post für die Ärzte aus Station 32, 32 B, 31 und 04 im Chefarztsekretariat täglich abzuholen und auf Station 32 in der Bibliothek in die Namensfächer der Ärzte zu legen; diesen Verpflichtungen sei die Klägerin nur selten oder gar nicht nachgekommen. Schließlich sei die Klägerin auch ihrer Verpflichtung laut Punkt 5.1. Der Dienstanweisung nicht nachgekommen, wonach Sie verpflichtet sei, täglich die externen Befunde einzuscannen und daher abgemahnt worden (Anlage B20).

Das Schreiben vom 23.02.2021, das den zwingenden Anforderungen einer Abmahnung genügte, sei ergangen, da die Klägerin den konkreten Krankmeldeprozess nicht eingehalten habe. Im Rahmen des Personalgesprächs vom 08.08.2019 sei der Klägerin erläutert worden, dass Krankmeldungen in der Fachabteilung zu erfolgen hätten und es sei mit ihr vereinbart worden, dass, sollte die Fachabteilung nicht telefonisch erreichbar sein, die Krankmeldung per E-Mail an die E-Mail-Adresse @ zu erfolgen habe, was im Protokoll (Anlage B8) auch festgehalten worden sei. Die Klägerin habe sich diverse Male daran nicht gehalten. Mit Schreiben vom 23.02.2020 habe man sich daher genötigt gefühlt, die Klägerin nochmals auf das richtige Verfahren für Krankmeldung hinzuweisen und sie wegen des Verstoßes abzumahnen (Anlage B10).

Der Abmahnung vom 01.04.2021 betreffend Arbeitsunfall läge folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin sei im September 2020 langfristig erkrankt, wobei auf den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ein Arbeitsunfall angekreuzt gewesen sei. Eine Unfallanzeige habe sie jedoch nicht erhalten. In der Folge habe die Entgeltabrechnung mehrfach bei der Klägerin nach einer solchen Anzeige gefragt. Mit Schreiben vom 01.04.2021 habe man die Klägerin nochmals aufgefordert, Angaben über den Arbeitsunfall zu machen. Mit Schreiben vom gleichen Datum sei die Klägerin abgemahnt worden, weil sie bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Angaben gemacht habe (Anlage B23).

Mit den Abmahnungen vom 01.04.2021, 23.04.2021 sowie 11.05.2021 betreffend der Nichtvorlage einer Bescheinigung gemäß § 3 Abs. 4 TVöD-VKA werde der Klägerin vorgeworfen, ihrer Pflicht, eine entsprechende Arbeitsfähigkeitsbescheinigung des Betriebsarztes vorzulegen, nicht nachgekommen zu sein. Dass dies nicht erfolgt sei, sei auch unstreitig. Vor der Abmahnung vom 01.04.2021 (Anlage B32) habe ihr der Betriebsarzt Herr Dr. B. am 22.03.2021 schriftlich (Anlage B31, Bl. 288 d.A.) mitgeteilt, dass die Klägerin zwar am 11.03.2021 bei ihm erschienen, aber nicht in der Lage gewesen sei, an der personalärztlichen Untersuchung teilzunehmen. Sie habe keine Angaben zu ihrem Arbeitsunfall gemacht, auch habe sie keine ärztlichen/fachärztlichen Befunde vorgelegt, sodass sie nach Hause eingeschickt worden sei. Nachdem die Klägerin die ihr zuvor gesetzte Frist zur Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung bis 14.03.2021 versäumt habe, sei sie abgemahnt worden. Mit Schreiben vom 23.04.2021 (Anlage B34) sei die Klägerin wieder wegen des fehlenden Nachweises nach § 3 Abs. 4 TVöD-VKA abgemahnt worden, da sie innerhalb der ihr bis zum 07.05.2021 gesetzten Frist nach wie vor ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen sei. Zuletzt sei die Klägerin mit Datum vom 11.05.2021 abgemahnt worden (Anlage B37), da die Klägerin trotz Aufforderung auch bis 31.05.2021 keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt habe, obwohl ihr mitgeteilt worden sei, dass eine Entbindung von der Schweigepflicht nicht notwendig sei und dass es nicht ausreichend sei, nur zu dem Termin zu erscheinen. Die Begründung der Klägerin im Schreiben vom 24.05.2021 sei unzutreffend, vielmehr sei die Klägerin, wie in der Vergangenheit, bei der Betriebsärztin Frau Dr. L. erschienen und habe nicht mitgewirkt. Eine Entbindung von der Schweigepflicht sei von Frau L. nicht gefordert bzw. Untersuchung hiervon nicht abhängig gemacht worden. Es sei zu bestreiten, dass Frau Dr. L. die Klägerin weggeschickt habe, um mit der Betriebsärztin zu sprechen. Einen Grund für die Klägerin, ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht nachzukommen, habe es daher nicht gegeben. Nach Sinn und Zweck des § 3 Abs. 4 TVöD-VKA sei nicht vorausgesetzt, dass der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Untersuchung arbeitsfähig sein müsse, wie das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg (Az. 7 Sa 304/19) verdeutliche.

Die Abmahnung vom 15.10.2021 beträfe den Verstoß der Klägerin gegen die konkrete Anweisung von Frau K. Auch habe die Klägerin eine Pflichtverletzung begangen, da sie sich die gesamte Patientenakte habe kopieren lassen und nicht nur den erforderlichen Teil. Dies sei nicht von der Schweigepflichtentbindung gedeckt gewesen und die Klägerin habe somit einen entsprechenden datenschutzrechtlichen Verstoß begangen. Eine Datenverarbeitung ohne rechtfertigenden Zweck sei unzulässig. Frau K. hätte dies der Klägerin erläutert. Dass die CD durch die Klägerin nicht an die Versicherung geschickt worden sei, sei allein darauf zurückzuführen, dass Frau K. dies verhindert habe.

Die verhaltensbedingte Kündigung vom 30.06.2021 sei sozial gerechtfertigt. Grund für den Ausspruch der Kündigung sei gewesen, dass die Klägerin trotz Aufforderungen und einschlägigen Abmahnungen vom 01.04.2021, vom 23.04.2021 und vom 11.05.2021 nicht bis zum 31.05.2021 eine Bescheinigung nach § 3 Abs. 4 TVöD-VKA vorgelegt habe. Sie habe daher beharrlich gegen ihre vertraglichen Verpflichtungen verstoßen. Damit habe die Klägerin ihre vertraglichen Rücksichtnahmepflichten nach § 241 BGB schwerwiegend verletzt. Bei der Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass es keinen Bereich des Arbeitsverhältnisses gäbe, der nicht von den Störungen und dem Fehlverhalten der Klägerin betroffen sei.

Die verhaltensbedingte Kündigung vom 30.12.2021 sei sozial gerechtfertigt. Grund für den Ausspruch der Kündigung sei die fehlerhafte Versendung des Entlassbriefs von Herrn M. B. an den Patienten Herrn P. B. am 13.10.2021 gewesen, den die Klägerin bearbeitet, fertiggestellt und für die Versendung vorbereitet habe, wie sich aus der SAP Dokumentation ergäbe. Die Klägerin räume den Sachverhalt im Ergebnis ein. Selbst wenn, was zu bestreiten wäre, sie immer Fensterumschläge benutzt habe, heiße dies nicht, dass sie dies auch damals getan habe. Der gravierende Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten, gegen die Dienstanweisung sowie gegen die gesetzlichen datenschutzrechtlichen Vorgaben durch die Klägerin sei geschehen, obwohl die Klägerin im Vorfeld des Vorfalles mehrfach auf die Wichtigkeit des sorgfältigen Umgangs im Zusammenhang mit der Postversendung hingewiesen worden sei, explizit auch im Hinblick auf den Datenschutz, etwa im Personalgespräch vom 08.08.2019. Auch in der Dienstanweisung vom 15.05.2021 sei die Notwendigkeit der ordnungsgemäßen Versendung der Entlassbriefe unter Ziffer 2 angeführt. Die Klägerin sei bereits mehrfach wegen Verstößen gegen Anweisung abgemahnt worden, vor allem beträfe die Abmahnung vom 15.10.2021 gleichermaßen ein Geschehen mit datenschutzrechtlichen Hintergrund. Im Rahmen der Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass die Fehler der Klägerin nicht lediglich folgenlose Unachtsamkeiten seien, sondern das Potenzial hätten, Patienten zu gefährden und sie erheblichen finanziellen Risiken auszusetzen.

Wegen der Einzelheiten wird im Übrigen auf die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vom 02.06.2022 verwiesen. Ergänzend wird ebenso auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht durch die Kündigungen der Beklagten vom 30.06.201 sowie vom 30.12.2021 beendet worden. Ebenso kann die Klägerin von der Beklagten die Entfernung sämtlicher streitgegenständlicher Dokumente aus ihrer Personalakte verlangen.

I.

Die Klage ist zulässig.

1. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a, b ArbGG eröffnet. Das Arbeitsgericht München ist gemäß §§ 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. 12,17 ZPO sowie 29 ZPO bzw. § 48 Abs. 1 a ArbGG örtlich zuständig, da die Klägerin ihre Arbeitsleistung am Sitz der Beklagten in B-Stadt erbracht hat.

2. Das Feststellungsinteresse für die Kündigungsschutzanträge der Klage ist gemäß §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 495 ZPO, 256 Abs. 1 ZPO gegeben. Dieses resultiert daraus, dass im Falle der nicht rechtzeitigen Klageerhebung in der Frist nach § 4 Satz 1 KSchG die Gefahr der Präklusion (§ 7 KSchG) gegeben wäre.

3. Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen auch im Übrigen nicht, insbesondere ist die Klage gemäß §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 495 ZPO, 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt.

II.

Der Kündigungsschutzantrag der Klage, gerichtet gegen die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 30.06.2021 ist begründet. Insoweit war der Klage stattzugeben.

1. Die Kündigung ist nicht schon wegen Versäumung der Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG wirksam (§ 7 KSchG). Die Klägerin hat sich gegen die schriftliche Kündigung vom 30.06.2021 mit Klage vom 06.07.2021 gewehrt, die am 19.07.2021 bei Gericht eingegangen ist. Nachdem die Klage der Beklagten bereits am 28.07.2021 und damit „demnächst“ zugestellt wurde, wahrte die rechtzeitige Klageeinreichung die dreiwöchige Frist des § 4 Satz 1 KSchG (§§ 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. 167 ZPO).

2. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht aufgrund der ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 30.06.2021 mit Ablauf des 31.12.2021 aufgelöst worden. Die Kündigung ist nicht gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt und stellt sich daher als rechtsunwirksam (§ 1 Abs. 1 KSchG) dar.

a. Das Kündigungsschutzgesetz findet Anwendung. Die Klägerin ist bei der Beklagten bereits seit 01.05.2011 und damit deutlich länger als sechs Monate ununterbrochen beschäftigt (§ 1 KSchG). Bei der Beklagten sind im Beschäftigungsbetrieb unstreitig mehr als zehn Arbeitnehmer i.S.d. § 23 KSchG beschäftigt.

b. Die streitgegenständliche verhaltensbedingte Kündigung ist nicht i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt.

aa. Eine Kündigung ist i.S.v. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt und damit nicht sozial ungerechtfertigt, wenn dieser seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers über die Kündigungsfrist hinaus in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht zumutbar ist. Auch eine erhebliche Verletzung der den Arbeitnehmer gemäß § 241 Abs. 2 BGB treffenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers kann eine Kündigung rechtfertigen (vgl. BAG NZA 2016, 540 Rn. 24; BAG NZA 2012, 607 Rn. 20).

Auch der Verstoß gegen eine tarif- oder einzelvertraglich geregelte Pflicht des Arbeitnehmers, bei gegebener Veranlassung auf Wunsch des Arbeitgebers an einer ärztlichen Untersuchung zur Feststellung der Arbeitsfähigkeit mitzuwirken, kann je nach den Umständen geeignet sein, eine Kündigung zu rechtfertigen (vgl. BAG NZA 2003, 719; BAG NZA 1998, 326; Lepke, NZA 1995, 1084 [1090]).

bb. Vorliegend macht die Beklagte zur Rechtfertigung der Kündigung vom 30.06.2021 die Verletzung einer solchen, sich aus § 3 Abs. 4 Satz 1 TVöD-VKA ergebenden Mitwirkungspflicht der Klägerin geltend, insbesondere wirft sie ihr vor, dass diese ihr bis zuletzt trotz Aufforderungen und dreier Abmahnungen keine entsprechende Bescheinigung über ihre Arbeitsfähigkeit vorgelegt hat. Nach § 3 Abs. 4 Satz 1 TVöD-VKA ist der Arbeitgeber bei gegebener Veranlassung berechtigt, den Arbeitnehmer durch den Betriebsarzt dahingehend untersuchen zu lassen, ob er zur Leistung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit in der Lage ist.

Im vorliegenden Fall fehlt es – unabhängig von der streitigen Frage der Rechtmäßigkeit der einschlägigen Abmahnungen vom 01.04., 23.04. und 11.05.2021 – schon an einer nach Ausspruch der Abmahnungen weiteren Nebenpflichtverletzung der Klägerin in Form der fehlenden Mitwirkung. Daran ändert entgegen der Ansicht der Beklagten nichts, dass die Klägerin innerhalb der ihr zuletzt gesetzten Frist bis 31.05.2021 (mit Aufforderungsschreiben der Beklagten vom 11.05.2021) keine Arbeitsfähigkeitsbescheinigung vorgelegt hat. Denn dieser Umstand ist der Klägerin nach den hier getroffenen Feststellungen nicht vorwerfbar: So hatte die Klägerin unstreitig am 28.05.2021 einen Termin bei der Betriebsärztin Frau Dr. L. vereinbart und hat diesen auch wahrgenommen. Laut Klägerin wurde sie durch die Betriebsärztin aber ohne Untersuchung weggeschickt, da diese davon ausging, da die Klägerin schon mal betriebsärztlich untersucht worden sei und die Ärztin zunächst noch Rücksprache mit einer Betriebsrätin habe nehmen wollen. Unterstellt man diesen Vortrag als wahr, wäre die Nichtvorlage einer Bescheinigung i.S.d. § 3 Abs. 4 Satz 1 TVöd-VKA bis zum Fristende nicht der Klägerin anzulasten, sondern dieser Umstand wäre der Sphäre der Betriebsärztin und damit der Beklagten zuzurechnen. Nachdem die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast auch die für das Nichtvorliegen von derartigen Rechtsfertigungs- bzw. Entschuldigungsgründe trägt (abgestufte Darlegungs- und Beweislast vgl. BAG NZA 2012, 607), wäre es an ihr gewesen, sich mit dem Vortrag der Klägerin durch konkreten Gegenvortrag substantiiert auseinanderzusetzen und diesen zu widerlegen. Dies ist aber nicht erfolgt. Stattdessen hat die Beklagte den rechtserheblichen Einwand der Klägerin lediglich bestritten, sich pauschal auf fehlende Mitwirkung der Klägerin berufen und die Einvernahme von Frau Dr. L. als Beweismittel angeboten. Dem Zeugenbeweisangebot war jedoch nicht zu entsprechen, da dies auf einen unzulässigen sog. Ausforschungsbeweis hinausgelaufen wäre. Eine fehlende Mitwirkung der Klägerin im Zusammenhang mit dem Verstreichen der Frist bis 31.05.2021 zur Vorlage einer Bescheinigung i.S.d. § 3 Abs. 4 Satz 1 TVöD-VKA und damit eine Nebenpflichtverletzung durch die Klägerin ist damit nicht erwiesen.

III.

Der Kündigungsschutzantrag der Klage, gerichtet gegen die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 30.12.2021 ist begründet. Insoweit war der Klage stattzugeben.

1. Die Kündigung ist nicht schon wegen Versäumung der Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG wirksam (§ 7 KSchG). Die Klägerin hat sich gegen die schriftliche Kündigung vom 30.12.2021 mit Klageerweiterung vom 19.01.2022 gewehrt, die am selben Tag bei Gericht eingegangen ist. Nachdem diese der Beklagten bereits am 20.01.2022 und damit „demnächst“ zugestellt wurde, wahrte die rechtzeitige Klageeinreichung die dreiwöchige Frist des § 4 Satz 1 KSchG (§§ 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. 167 ZPO).

2. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht aufgrund der ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 30.12.2021 mit Ablauf des 30.06.2022 aufgelöst worden. Die Kündigung ist nicht gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt und stellt sich daher als rechtsunwirksam (§ 1 Abs. 1 KSchG) dar.

a. Das Kündigungsschutzgesetz findet, wie dargelegt, Anwendung.

b. Die streitgegenständliche verhaltensbedingte Kündigung ist nicht i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt.

aa. Eine Kündigung ist i.S.v. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt und damit nicht sozial ungerechtfertigt, wenn dieser seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers über die Kündigungsfrist hinaus in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht zumutbar ist. Auch eine erhebliche Verletzung der den Arbeitnehmer gemäß § 241 Abs. 2 BGB treffenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers kann eine Kündigung rechtfertigen (vgl. BAG NZA 2016, 540 Rn. 24; BAG NZA 2012, 607 Rn. 20).

bb. Im Streitfall stützt die Beklagte ihre Kündigung vom 30.12.2021 auf einen Verstoß der Klägerin gegen die schriftliche Dienstanweisung „Arbeitsaufgaben Schreibbüro“ vom 15.05.2020 sowie auf einen Datenschutzverstoß im Zusammenhang mit der Zusendung des Entlassbriefes, der sensible Patientendaten enthielt und der einzig für den Patienten Herrn M. B. bestimmt war, am 13.10.2021 aber an Herrn P. B. versandt wurde. Eine Pflichtverletzung der Klägerin ist aber auch diesbezüglich nicht zu konstatieren – und zwar weder in Gestalt einer beharrlichen Arbeitsverweigerung noch in Form einer Schlechtleistung.

(1) Zwar gilt: Die beharrliche Weigerung eines Arbeitnehmers, seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen, ist „an sich“ geeignet, selbst eine außerordentliche fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Das gilt nicht nur für die Weigerung, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen (vgl. BAG NZA 2018, 646), sondern auch für die Verletzung von Nebenpflichten (vgl. BAG NZA 2016, 1144). Ein Arbeitnehmer weigert sich beharrlich, seinen vertraglichen Pflichten nachzukommen, wenn er sie bewusst und nachhaltig nicht erfüllen will. Welche Pflichten ihn treffen, bestimmt sich nach der objektiven Rechtslage.

Die Annahme einer beharrlichen Arbeitsverweigerung durch die Klägerin scheidet hier – unabhängig von der streitigen Frage, ob ihr der Fehler zurechenbar ist – schon deswegen aus, da eine Weigerung der Klägerin, die schriftliche Dienstanweisung vom 15.05.2020 bei ihrer täglichen Arbeit umzusetzen, nicht erkennbar ist, selbst dann nicht, wenn tatsächlich ihr der Fehler beim Versand des Entlassbrief an den Patienten M. B. unterlaufen wäre. Dies ergibt sich schon daraus, dass beide Patienten nicht nur Patienten der Neurochirchirurgie waren, sondern auch den identischen Nachnamen B. trugen, so dass eine Verwechslung leicht vorkommen kann und ohne weiteres plausibel ist, ohne dass gleich der Schluss auf eine Weigerungshaltung der Klägerin in Bezug auf die Wahrnehmung ihrer Pflichten gezogen werden kann. Dies gilt angesichts der offenkundigen Verwechslungsgefahr selbst dann, wenn der Klägerin in der Vergangenheit möglicherweise schon ähnliche Flüchtigkeitsfehler als Schreibkraft unterlaufen seien sollten.

(2) Auch fehlen Anhaltspunkte für eine Schlechtleistung der Klägerin im Zuge des Entlassbriefversands.

Verhaltensbedingte Gründe i.S. § 1 Abs. 2 KSchG können gegeben sein, wenn ein Arbeitnehmer, auf Grund von Pflichtverletzungen, Minderleistungen erbringt. Die Leistungspflicht des Arbeitnehmers ist nicht starr festgelegt, vielmehr orientiert sie sich an seiner Leistungsfähigkeit; ein objektiver Maßstab ist nicht anzusetzen (vgl. BAG 2 AZR 551/91). Hieraus ist aber nicht zu folgern, dass der Arbeitnehmer seine Leistungspflicht selbst willkürlich bestimmen kann. Er muss jedenfalls unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeiten. Ob der Arbeitnehmer dieser Verpflichtung nachkommt, ist für den Arbeitgeber anhand objektivierbarer Kriterien nicht immer erkennbar. Der bloße Umstand, dass der Arbeitnehmer unterdurchschnittliche Leistungen erbringt, muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass der Arbeitnehmer seine persönliche Leistungsfähigkeit nicht ausschöpft (vgl. BAG 2 AZR 30/81). In einer Vergleichsgruppe ist stets ein Angehöriger der Gruppe das „Schlusslicht“. Andererseits ist das deutliche und längerfristige Unterschreiten des von vergleichbaren Arbeitnehmern erreichten Mittelwerts oft der einzige für den Arbeitgeber erkennbare Hinweis darauf, dass der schwache Ergebnisse erzielende Arbeitnehmer Reserven nicht ausschöpft, die mit zumutbaren Anstrengungen nutzbar wären. Der Konflikt zwischen diesen widerstreitenden Gesichtspunkten kann nach den Regeln der abgestuften Darlegungslast wie folgt aufgelöst werden: Es ist zunächst Sache des Arbeitgebers, zu den Leistungsmängeln das vorzutragen, was er wissen kann. Kennt er lediglich die objektiv messbaren Arbeitsergebnisse, so genügt er seiner Darlegungslast, wenn er Tatschen vorträgt, aus denen ersichtlich ist, dass die Leistungen des betreffenden Arbeitnehmers deutlich hinter denen vergleichbarer Arbeitnehmer zurückbleiben, also die Durchschnittsleistung erheblich unterschreiten. Davon kann dann gesprochen werden, wenn, gemessen an der durchschnittlichen Leistung der vergleichbaren Arbeitnehmer, das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung stark beeinträchtigt ist (vgl. BAG 2 AZR 521/95). Hat der Arbeitgeber vorgetragen, dass die Leistungen des Arbeitnehmers über einen längeren Zeitraum den Durchschnitt im vorgenannten Sinne unterschritten haben, ist es Sache des Arbeitnehmers, hierauf zu entgegnen, ggfls. das Zahlenwerk und seine Aussagefähigkeit im Einzelnen zu bestreiten und/oder darzulegen, warum er mit seiner deutlich unterdurchschnittlichen Leistung dennoch seine persönliche Leistungsfähigkeit ausschöpft (vgl. BAG 2 AZR 667/02).

Vorliegend ist eine Pflichtverletzung der Klägerin in Form der Schlechtleistung durch die Beklagte nicht erwiesen: Zum einen ist schon nicht nachgewiesen worden, dass gerade der Klägerin die fehlerhafte Adressierung des Entlassbriefes vorwerfbar ist. So hat die Klägerin dargetan, dass der Fehler hierfür beim behandelnden Arzt liegt, da dieser den Brief in eine vorgesehene Eingabemaske am PC diktiere, wobei die Patientenadresse bereits hinterlegt sei; der Brief werde dann ausgedruckt, von den behandelnden Ärzten unterschrieben und in die Patientenakte gelegt und von ihr dann nur noch in einen Briefumschlag mit Sichtfenster für das Adressfeld eingelegt. Hierauf ist die Beklagte nur unzureichend mit dem Hinweis eingegangen, dass die Klägerin den Brief „bearbeitet“ habe, ohne das genaue Prozedere in Bezug auf den konkreten Vorfall substantiiert zu schildern. Eine Schlechtleistung durch die Klägerin ist somit nicht ersichtlich. Aber selbst wenn der Fehler bei der Klägerin liegen würde, dann fehlte es jedenfalls an dem Nachweis durch die Beklagte, dass die Klägerin ihre persönliche Leistungsfähigkeit bei Ausübung ihrer Tätigkeit als Schreibkraft vorwerfbar nicht ausgeschöpft hat. So hat die Beklagte es versäumt, zur Arbeitsleistung und Fehlerhäufigkeit vergleichbarer Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum konkrete Ausführungen zu machen, um das Zurückbleiben der Klägerin hinter diesen Leistungen aufzuzeigen. Da die Beklagte damit ihrer Darlegungslast auf erster Stufe schon nicht nachgekommen ist, kann auch dahinstehen, ob der Klägerin einschlägig vor Ausspruch in Vergangenheit abgemahnt worden ist.

IV.

Die Anträge auf Entfernung der der Klägerin der geltend gemachten Dokumente aus der Personalakte sind begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch hierauf. Insoweit war der Klage stattzugeben.

1. Arbeitnehmer können in entsprechender Anwendung von §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangen. Der Anspruch besteht, wenn die Abmahnung inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt. Auch eine zu Recht erteilte Abmahnung ist aus der Personalakte zu entfernen, wenn kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers mehr an deren Verbleib in der Personalakte besteht (vgl. etwa BAG 10 AZR 596/15 Rn. 10).

Dies gilt nicht nur für förmliche Abmahnungen, sondern für sämtliche schriftlichen Rügen, Verwarnungen und andere Schreiben, die zu den Personalakten genommen werden und die weitere berufliche Entwicklung des Arbeitnehmers nachteilig beeinflussen können. Auch unberechtigte formelle Rügen können Grundlage für eine falsche Beurteilung sein und dadurch das berufliche Fortkommen behindern. Sie können den Arbeitnehmer darüber hinaus auch in seine Ehre berühren und damit sein Persönlichkeitsrecht verletzen (st. Rspr. des Bundesarbeitsgerichts, vgl. BAG 5 AZR 801/76 (Aktennotiz); BAG 1 AZR 342/76 (Vermerk über eine Ermahnung); BAG 5 AZR 962/77 (Verweis); BAG 5 AZR 310/80 (Aktennotiz) sowie BAG 5 AZR 101/84 (Schreiben mit Kündigungsandrohung).

2. Nach diesen Rechtsprechungsgrundsätzen besteht im vorliegenden Fall eine Verpflichtung der Beklagten zur Entfernung der streitgegenständlichen Dokumente aus der Personalakte der Klägerin. Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde:

a. Hinsichtlich der Abmahnung vom 13.12.2019 hat die Beklagte den Vorwurf der falschen Aktensortierung durch die Klägerin am 05.12.2019 in zwei Fällen und damit eine der Klägerin vorwerfbare Pflichtverletzung nicht nachgewiesen: Zum einen fehlt es bereits an einer substantiierten Darlegung der Beklagten zum Fehlverhalten, d.h. welche konkreten Unterlagen der genannten Akten falsch sortiert worden seien sollen; auch an einer eingehenden Auseinandersetzung der Beklagten mit dem Einwand der Klägerin, dass wegen der offen zugänglichen Akten genauso gut eine andere Bürokraft die Falschsortierung zu vertreten haben könnte, ist nicht erfolgt; zumindest hat die Beklagte den Zugriff einer anderen Person auf die Akten nicht gänzlich ausschließen können. Zum anderen ist die Beklagte für ihre Behauptung eines Pflichtverstoßes auch beweisfällig geblieben.

b. Was die mit Abmahnungen vom 01.10.2020 gerügten Verstöße gegen die schriftliche Dienstanweisung „Arbeitsaufgaben Schreibbüro“ vom 15.05.2020 angeht, hat die Beklagte in sämtlichen Fällen – trotz Bestreiten der Klägerin – jegliche Substantiierung im Hinblick auf ihren Tatsachenvortrag zu angeblichen Pflichtverletzungen vermissen lassen. Die Ausführungen der Beklagten sind rein wertend (etwa: „Aufgabe nicht nachgekommen“, „Pflicht nicht nachgekommen“ oder „Verpflichtungen … nur selten oder gar nicht nachgekommen“), ohne dass nach Ort, Zeit und konkretem Vorfall objektivierbare Umstände dargetan worden wären. Den Zeugenbeweisangeboten der Beklagten war damit nicht nachzukommen. Schließlich stellen sich die Abmahnungen auch als rechtswidrig dar, da auch die darin jeweils gerügten Fehlverhalten nur pauschale Vorwürfe enthalten und die Pflichtverstöße lediglich schlagwortartig bezeichnet werden (vgl. dazu BAG NZA 2009, 842).

c. Auch das Schreiben vom 23.02.2021, in welchem die fehlerhafte Krankmeldung der Kläger gerügt wird, ist aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei dem Schreiben um eine förmliche Abmahnung handelt, obgleich das Schreiben damit endet, dass eine Abmahnung bei einem weiteren Pflichtverstoß erstmals „nur“ angedroht wird. Denn auch bei schriftlichen Rügen, Verwarnungen und andere Schreiben, die – wie hier – zu den Personalakten genommen werden und – wie hier – die weitere berufliche Entwicklung des Arbeitnehmers nachteilig beeinflussen können, kann nach der Rechtsprechung, wie eingangs dargelegt, bei einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts deren Entfernung aus der Personalakte verlangt werden. Letzteres ist vorliegend der Fall. Dies folgt daraus, dass die Beklagte der Klägerin zum Vorwurf macht, einen vorgegebenen und im Personalgespräch vom 08.08.2019 besprochenen Krankmeldeprozess nicht eingehalten zu haben, v.a. die Anzeige der Krankheit vereinbarungswidrig bei einer falschen Stelle bzw. mit falscher E-Mail-Adresse hinterlegt zu haben. Dem Schreiben vom 23.02.2021 ist hierzu jedoch nichts Konkretes zu entnehmen, stattdessen wird nur pauschal gerügt, dass das Vorgehen der Klägerin zuletzt „nicht der korrekte Krankmeldeprozess“ sei und zugleich auf den § 5 EFZG verwiesen, der indes zur genauen Stelle sowie zur Form der Anzeige keine Vorgaben macht. Der Klägerin wurde daher mit Schreiben vom 23.02.2021 schon nicht klar genug vor Augen geführt, welche Nebenpflicht sie verletzt haben soll. Hinzukommt, dass auch nicht ersichtlich ist, dass die Klägerin ihren Nebenpflicht zur ordnungsgemäßen Anzeige verletzt hat. Nach Angaben der Beklagten war die Klägerin angewiesen worden, dass Krankmeldungen in der Fachabteilung zu erfolgen hätten und zwar zunächst telefonisch und bei telefonischer Nichterreichbarkeit per E-Mail. Die der Neurochirurgie zugeteilte Klägerin hat aber ihre Erkrankungen unstreitig dem Vorzimmer der Neurochirurgie, bei Frau K., angezeigt, was die Beklagte selbst angegeben und durch Vorlage des E-Mail-Konvoluts unter Beweis gestellt hat. Dass sie dabei aus Sicht der Beklagten wohl die falsche E-Mail-Adresse verwendete, indem sie die Anzeigen nicht an @ adressierte, kann ihr aber aus Sicht der Kammer nicht angelastet werden. Denn die Beklagte hat nicht nachgewiesen, dass der Klägerin diese EMail-Adresse als einzig für den Krankmeldeprozess richtige überhaupt jemals benannt hat; im Protokoll des Personalgesprächs vom 08.08.2019, das sie Beklagte als einziges Beweismittel anführt, ist diese E-Mail-Adresse zwar genannt, allerdings dort nur in Klammern angeführt, so dass erhebliche Zweifel bestehen, dass diese unmissverständlich gegenüber der Klägerin als einzig statthafte E-Mail-Adresse für Krankheitsanzeigen im Personalgespräch bezeichnet wurde. Dass die Klägerin das Protokoll des Personalgesprächs einschließlich der Adressnennung zu irgendeiner Zeit erhalten hat, ist ebenso weder dargelegt noch ersichtlich. Aber selbst wenn dies erfolgt wäre, wäre aus Sicht der Kammer der Vorwurf der fehlerhaften Krankmeldung durch die Klägerin im Schreiben vom 23.02.2021 und dessen Aufnahme in die Personalakte jedenfalls nach den konkreten Umständen unverhältnismäßig: Denn unstreitig hat die Beklagte die (angeblich der Adressierung nach fehlerhaften) Anzeigen der Klägerin über ca. 1 ½ Jahre klaglos hingenommen, bevor sie ohne weiteren vorherigen Hinweis (Rüge und Aufforderung erfolgten ausschließlich im selben Schreiben vom 23.02.2021) das Verhalten der Klägerin rügte und zur Personalakte nahm.

d. Weiterhin stellt sich die Abmahnung vom 01.04.2021 wegen fehlender Angaben zum Arbeitsunfall als rechtswidrig dar. Eine Pflichtverletzung durch die Klägerin ist nicht erwiesen. Soweit die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 01.04.2021 nachweislich aufforderte, Angaben zu ihrem Arbeitsunfall zu machen, hat die Klägerin keine Pflichtverletzung begangen, da ihr hierfür eine Frist bis 12.04.2021 gesetzt worden war, die im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Abmahnung vom 01.04.2021 noch nicht abgelaufen war. Soweit die Beklagte behauptet hat, die Entgeltabrechnung habe schon zuvor „mehrfach“ bei der Klägerin nach einer solchen Anzeige erfolglos nachgefragt, ist der Tatsachenvortrag der Beklagten abermals ohne Substanz, da Angaben zur nachfragenden Person, zum Zeitpunkt sowie zu Form und Inhalt der Nachfragen gänzlich fehlen. Eine Einvernahme des angebotenen Zeugen schied vor diesem Hintergrund aus.

e. Auch die Abmahnung vom 01.04.2021 wegen Nichtvorlage einer Bescheinigung i.S.d. § 3 Abs. 4 TVöD-VKA ist rechtswidrig. Für die Frage des Vorliegens einer Pflichtverletzung ist, wie ausgeführt, nicht entscheidend, ob die Klägerin innerhalb der ihr gesetzten Frist eine Arbeitsfähigkeitsbescheinigung vorgelegt hat, sondern, ob dies auf einer fehlenden Mitwirkung der Klägerin beruht. Letzteres hat die Beklagte zwar behauptet und insofern auf die schriftliche Stellungnahme des Betriebsarztes, Dr. B., vom 22.03.2021 (Anlage B31) verwiesen, wonach die Klägerin im Untersuchungstermin keine Angaben zu ihrer Erkrankung machte. Die Klägerin ist dem jedoch entgegengetreten und hat als alleinigen Grund für die Nichtausstellung der Bescheinigung ihre Weigerung zu der vom Betriebsarzt geforderten Schweigepflichtentbindungserklärung benannt, deren Abgabe selbst die Beklagte als nicht erforderlich erachtet (vgl. Schreiben der Beklagten vom 11.05.2021). Infolge des Bestreitens der Klägerin wäre es nunmehr an der Beklagten gewesen, den Beweis für die Richtigkeit ihrer Behauptung zu führen. Dies ist jedoch nicht erfolgt, insbesondere hat die Beklagte den genannten Betriebsarzt nicht als Zeuge benannt. Dieses „non liquet“ geht zulasten der beweisbelasteten Beklagten.

f. Ferner ist die Abmahnung vom 23.04.2021 wegen Nichtvorlage einer Bescheinigung i.S.d. § 3 Abs. 4 TVöD-VKA aus der Personalakte zu entfernen. Dabei kann aus Sicht der Kammer dahinstehen, ob sich die Klägerin, wie in ihrem Schreiben vom 12.04.2021 geschehen, auf ihre Arbeitsunfähigkeit berufen konnte, um nicht an einer amtsärztlichen Untersuchung teilzunehmen, was offensichtlich auch in der Rechtsprechung streitig ist, wie einerseits das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg (Az. 10 Sa 212/14: bejahend) und andererseits das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg (Az. 7 Sa 304/19: verneinend) zeigt. Unabhängig davon, welcher Ansicht man folgt, wäre es aus Sicht der Kammer angesichts dieser „unsicheren“ Rechtslage angezeigt gewesen, die Klägerin auf ihren Einwand der einer Untersuchung entgegenstehenden Arbeitsunfähigkeit hin nicht sofort abzumahnen, sondern ihr zunächst die gegensätzliche Rechtsansicht der Arbeitgeberseite zu verdeutlichen. Dies hat die Beklagte zwar im Schreiben vom 23.04.2021 getan. Allerdings hat sie die Klägerin mit Schreiben vom gleichen Tag auch abgemahnt, so dass diese keine Möglichkeit mehr hatte, sich darauf einzustellen und ihr Verhalten danach auszurichten. Dieses Vorgehen stellt sich als unverhältnismäßig dar.

g. Gleiches gilt für die Abmahnung vom 11.05.2021 wegen Nichtvorlage einer Bescheinigung i.S.d. § 3 Abs. 4 TVöD-VKA. Auf das Aufforderungsschreiben der Beklagten vom 23.04.2021 hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 03.05.2021 innerhalb der gesetzten Frist bis 07.05.201 eingewandt, dass sie sich weigere, eine Entbindung von der Schweigepflicht zu unterzeichnen. Mit Schreiben vom 11.05.2021 hat die Beklagte klargestellt, dass es einer Schweigepflichtsentbindung auch aus ihrer Sicht nicht brauche und hat der Klägerin erneut eine Frist zur Vorlage einer Arbeitsfähigkeitsbescheinigung gesetzt – bis zum 31.05.2021. Nicht nachvollziehbar ist, warum die Beklagte trotz dieses offensichtlichen Klarstellungsbedarfs dennoch ohne Abwarten der gesetzten Frist noch am 11.05.2021 die Klägerin abgemahnt hat. Damit hat die Beklagte der Klägerin wiederum keine Möglichkeit gegeben, auf die Antwort der Beklagten zu reagieren und ihr Verhalten danach auszurichten. Auch die Abmahnung vom 11.05.2021 stellt sich vor diesem Hintergrund als unverhältnismäßig dar.

h. Zuletzt ist die Abmahnung vom 15.10.2021 hinsichtlich der Anfertigung der CD-Rom mit Patientendaten im Zusammenhang mit der I. Versicherung-Anfrage rechtswidrig. Nach dem unstreitigen Sachverhalt hat die Klägerin die CD-Rom zwar erstellen lassen, diese aber nicht an die Versicherung verschickt. Nach der Weisung von Frau K. war der Klägerin aber nur der Versand an die Versicherung untersagt worden, woran diese sich auch hielt. Damit ist die streitgegenständliche Abmahnung, die ausdrücklich nur rügt, dass die Klägerin gegen diese Anweisung verstoßen habe, rechtlich unzutreffend. Ob die Anfertigung der CD-Rom als solche eine Pflichtverletzung etwa in Gestalt des Datenschutzverstoßes darstellt oder nicht, bedarf keiner Entscheidung, da dieser Vorwurf nicht Inhalt der hier allein im Streit stehenden Abmahnung vom 15.10.2021 ist.

V.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 ZPO. Als unterlegene Partei hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Der durch die Klägerin in der mündlichen Verhandlung zurückgenommene Schleppnetzantrag wurde als nicht streitwerterhöhend eingestuft.

2. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. 3 ff ZPO. Pro Kündigung wurden je drei Bruttomonatsgehälter (§ 42 Abs. 2 GKG) und pro Abmahnung wurde je ein Gehalt in Ansatz gebracht.

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