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Urlaubsabgeltung – Vererbbarkeit

Urlaubsabgeltung auch nach dem Tod vererbbar

Die Frage nach der Vererbbarkeit von Urlaubsabgeltungsansprüchen ist ein Thema, das Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen berührt. Wenn ein Arbeitsverhältnis durch den Tod eines Arbeitnehmers endet, stellt sich die Frage, inwieweit Ansprüche auf nicht genommenen Urlaub auf die Erben übergehen können. Die juristische Auseinandersetzung damit erfordert eine genaue Betrachtung des Arbeitsrechts und der aktuellen Rechtsprechung, insbesondere unter Berücksichtigung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs.

Diese Rechtsfrage verbindet arbeitsrechtliche Grundprinzipien wie das Recht auf Urlaub und dessen Kompensation bei Nichtinanspruchnahme mit den Grundzügen des Erbrechts. Die Schnittstelle dieser beiden Rechtsgebiete führt zu einer komplexen Rechtslage, die in der juristischen Diskussion und Praxis für unterschiedliche Interpretationen sorgen kann. Die Entscheidungen auf europäischer Ebene, insbesondere die Urteile des EuGH, haben maßgeblichen Einfluss auf die nationale Rechtsauslegung und können zu einer Fortentwicklung des Arbeitsrechts beitragen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 3 Ca 2643/14  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Das Arbeitsgericht Wuppertal hat entschieden, dass Erben einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung haben, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet.

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Erbenanspruch: Die Klägerin, als Alleinerbin, hat Anspruch auf die Urlaubsabgeltung ihres verstorbenen Ehemannes.
  2. EuGH-Entscheidung: Die nationale Rechtsprechung, die den Anspruch auf Urlaubsabgeltung mit dem Tod des Arbeitnehmers als erloschen sah, wurde durch die EuGH-Rechtsprechung überstimmt.
  3. Vererbbarkeit: Der Urlaubsabgeltungsanspruch geht nach § 7 Abs. 4 BUrlG in Verbindung mit § 1922 Abs. 1 BGB in die Erbmasse über und kann von den Erben geltend gemacht werden.
  4. Arbeitsverhältnis: Die Abgeltung betrifft nicht nur den gesetzlichen Mindesturlaub, sondern auch den einzelvertraglich vereinbarten Urlaubsanspruch.
  5. Berechnung: Dem verstorbenen Ehemann standen im Zeitpunkt seines Todes noch 32 Urlaubstage zu, die finanziell abgegolten wurden.
  6. Ablehnung der Aufrechnung: Der Beklagte konnte die behaupteten Minusstunden nicht gegen den Urlaubsabgeltungsanspruch aufrechnen.
  7. Kosten des Rechtsstreits: Die Kosten wurden zwischen Klägerin und Beklagtem aufgeteilt.
  8. Zinsanspruch: Zusätzlich zum Abgeltungsbetrag wurden Zinsen seit dem 03.10.2014 zugesprochen.

Die Bedeutung des EuGH für nationales Arbeitsrecht und Erbansprüche

Im Mittelpunkt des vorliegenden Falls steht ein Rechtsstreit um die Urlaubsabgeltung nach dem Tod eines Arbeitnehmers, der bei der Beklagten als kaufmännischer Angestellter beschäftigt war. Der Ehemann der Klägerin hatte bei einer Fünf-Tage-Woche Anspruch auf 30 Urlaubstage sowie zusätzliche fünf Tage aufgrund seiner Schwerbehinderung. Er erkrankte im Juli 2012 und verstarb Anfang Januar 2013. Zu diesem Zeitpunkt bestand ein Resturlaubsanspruch von 32 Tagen. Die Klägerin, als Alleinerbin laut Testament, machte daraufhin den Urlaubsabgeltungsanspruch ihres verstorbenen Mannes geltend.

Vererbbarkeit von Urlaubsansprüchen: Ein juristisches Spannungsfeld

Die rechtliche Herausforderung in diesem Fall ergibt sich aus der Frage, ob Urlaubsansprüche vererbbar sind und somit die Erben ein Recht auf finanzielle Abgeltung des nicht genommenen Urlaubs des Verstorbenen haben. Diese Frage ist besonders brisant, da sie das Spannungsfeld zwischen nationalem Arbeitsrecht und der EuGH-Rechtsprechung berührt. Das Bundesarbeitsgericht hatte bisher die Auffassung vertreten, dass der Urlaubsanspruch mit dem Tod des Arbeitnehmers erlischt, weil die persönliche Arbeitsleistung nicht mehr erbracht werden kann und somit auch keine Ansprüche auf Befreiung von der Arbeitsleistung mehr bestehen.

Wegweisendes Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal

Das Arbeitsgericht Wuppertal hat in seinem Urteil vom 25. März 2015 jedoch eine Wendung vollzogen und im Sinne der Klägerin entschieden. Es bezog sich dabei auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, die eine gegenteilige Auffassung zur Vererbbarkeit von Urlaubsabgeltungsansprüchen vertritt. Demnach entsteht der Anspruch auf finanzielle Vergütung für nicht genommenen Urlaub auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers beendet wird. Der EuGH sieht den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub als einen besonders wichtigen Grundsatz des Sozialrechts der Union, der nicht durch den Tod des Arbeitnehmers untergehen darf.

Konsequenzen des Urteils für das Erbrecht

Die Wuppertaler Richter folgten dieser Auffassung und sprachen der Klägerin eine Urlaubsabgeltung für 32 Arbeitstage zu, was einem Betrag von 3.702,72 EUR entspricht. Sie stellten fest, dass der Abgeltungsanspruch nicht nur auf den gesetzlichen Mindesturlaub beschränkt ist, sondern auch für übergesetzlichen, einzelvertraglich begründeten Urlaub gilt. Zudem wurde der Beklagte nicht berechtigt, die Aufrechnung mit den behaupteten Minusstunden auf dem Arbeitszeitkonto des Verstorbenen zu erklären, da er nicht darlegen konnte, wie diese Minusstunden zustande gekommen sind.

Das Urteil hat weitreichende Auswirkungen für das Arbeitsrecht und die Handhabung von Urlaubsansprüchen im Erbfall. Es stärkt die Position der Erben und verleiht dem Grundsatz des bezahlten Jahresurlaubs eine über den Tod hinausgehende Geltung. Somit können nun Erben in ähnlichen Fällen aufgrund der EuGH-Rechtsprechung ihren Anspruch auf Urlaubsabgeltung durchsetzen.

Das Fazit dieses Urteils ist somit, dass der Anspruch auf Urlaubsabgeltung auch nach dem Tod des Arbeitnehmers bestehen bleibt und auf die Erben übergeht. Dies entspricht der aktuellen EuGH-Rechtsprechung und setzt neue Maßstäbe im deutschen Arbeitsrecht hinsichtlich der Vererbbarkeit von Urlaubsansprüchen.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Unter welchen Umständen können Erben Urlaubsabgeltungsansprüche des Verstorbenen gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen?

Die Erben eines verstorbenen Arbeitnehmers können unter bestimmten Umständen Urlaubsabgeltungsansprüche gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen. Dies wurde durch eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) festgelegt, die sich an die Rechtsauffassung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) anlehnt. Der EuGH hatte zuvor entschieden, dass der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers nicht mit seinem Tod untergeht und dass die Erben eine finanzielle Vergütung vom Arbeitgeber verlangen können.

Die Rechtsprechung des BAG war bis dahin eindeutig: Nach deutschem Recht ging ein Urlaubsanspruch mit dem Tod des Arbeitnehmers unter und konnte sich nicht in einen Abgeltungsanspruch gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG umwandeln lassen. Somit konnte er auch nicht Teil der Erbmasse werden.

Die europäischen Vorgaben haben jedoch eine Anpassung der BAG-Rechtsprechung an das Unionsrecht erforderlich gemacht. Das BAG hat sich dafür entschieden, das deutsche Urlaubsrecht unionsgerecht auszulegen. Die gebotene Auslegung der §§ 1, 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) ergibt danach, dass der Resturlaub auch dann abzugelten ist, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet.

Auch der Anspruch auf Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen und der Anspruch auf tarifvertraglichen Mehrurlaub gehören zum Urlaubsanspruch, den sich die Erben auszahlen lassen dürfen. Dies begründete das BAG damit, dass dem Tarifvertrag nicht zu entnehmen sei, dass die Erben das Verfallrisiko für den tariflichen Mehrurlaub bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Tod des Arbeitnehmers tragen müssten.

Es ist jedoch zu beachten, dass der Abgeltungsanspruch der Erben nach einem aktuellen Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin begrenzt ist: bei einer fünftägigen Arbeitswoche sei der Anspruch auf das unionsrechtlich gewährleistete Minimum von 20 Urlaubstagen pro Jahr begrenzt.

Die Urlaubsabgeltung ist im Regelfall in dem Monat zu verbeitragen, in dem der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin verstorben ist. Bestand allerdings bereits seit dem Beginn des entsprechenden Kalenderjahres durchgehend eine Arbeitsunfähigkeit mit dem Bezug von Krankengeld, bleibt die Urlaubsabgeltung mangels SV-Tage in dem Kalenderjahr beitragsfrei.

Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, die erst nach dem Tod des ursprünglich Bezugsberechtigten zufließen, sind als Einkünfte des Erben anzusehen und nach dessen ELStAM zu versteuern.


Das vorliegende Urteil

Arbeitsgericht Wuppertal – Az.: 3 Ca 2643/14 – Urteil vom 25.03.2015

Leitsätze:

Erben haben Anspruch auf Urlaubsabgeltung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Tod des Arbeitnehmers


Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.702,72 EUR (i. W. dreitausendsiebenhundertzwei Euro, Cent wie nebenstehend) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.10.2014 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 54 % und der Beklagte zu 46 %.

Streitwert: 3.702,72 EUR.

T a t b e s t a n d :

Die Parteien streiten um einen Urlaubsabgeltungsanspruch.

Der Ehemann der Klägerin, K. C., war seit April 2003 bei dem Beklagten als kaufmännischer Angestellter zu einer Bruttomonatsvergütung von zuletzt 2.507,00 EUR beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag, § 4, standen ihm 30 Werktage Urlaub bei einer 5-Tage-Woche zu (Bl. 4 d. A.). Außerdem erhielt er als Schwerbehinderter fünf Urlaubstage nach § 125 SGB IX. Ab Juli 2012 war der Ehemann der Klägerin erkrankt, er verstarb am 04.01.2013.

Ausweislich des vorgelegten handschriftlichen Testaments ist die Klägerin Alleinerbin ihres Ehemannes (s. Bl. 49 d. A.).

Im Dezember 2011 hatte der Ehemann der Klägerin einen Resturlaubsanspruch von 5,5 Tagen, die in das Jahr 2012 übertragen wurden. Im Jahr 2012 nahm der Ehemann der Klägerin bis zu seiner Erkrankung 8,5 Urlaubstage. Ausweislich der Abrechnung für Dezember 2012 belief sich der Resturlaubsanspruch zu diesem Zeitpunkt auf 32 Tage. Nach der Kopie der Zeiterfassung für die Zeit vom 01.05. bis 31.05.2012 hatte er bis zum 23.05.2012 insgesamt 82,49 Mehrarbeitsstunden auf dem Arbeitszeitkonto. Zum 31.05.2012 waren Minusstunden in Höhe von 92,30 eingebucht, der Kontostand belief sich danach auf 9:40 Minusstunden (s. Bl. 32 d. A.).

Die Klägerin legte außerdem einen Rentenbescheid vom 22.02.2013 für ihren verstorbenen Ehemann vor, danach hatte dieser ab dem 01.05.2012 Erwerbsminderungsrente, im Mai und Juni 2012 allerdings ohne Zahlungen, erhalten.

Mit ihrer am 22.09.2014 eingegangenen Klage hat die Klägerin zunächst Urlaubsabgeltung für insgesamt 70 Arbeitstage verlangt.

Sie ist der Auffassung, dass ihr auf Grund der geänderten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (Rechtssache C-118/13 vom 12.06.2014) der Urlaubsabgeltungsanspruch ihres verstorbenen Ehemannes zustehe.

Die Klägerin beantragt unter Klagerücknahme im Übrigen zuletzt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3.702,72 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.10.2014 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er behauptet, der verstorbene Ehemann der Klägerin habe die entsprechenden Minusstunden angesammelt. Diese müssten in Abzug gebracht werden. Desweiteren stehe dem verstorbenen Ehemann nur der gesetzliche Urlaubsanspruch zu, nur dieser müsse erfüllt werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Klage ist zulässig und mit dem zuletzt gestellten Antrag auch begründet.

I.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung für 32 Arbeitstage in rechnerisch unstreitiger Höhe von 115,71 EUR pro Urlaubstag und 3.702,72 EUR insgesamt gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG in Verbindung mit § 1922 Abs.1 BGB. Der Beklagte war nicht berechtigt, für die von ihm behaupteten Minusstunden des Arbeitszeitkontos Abzüge zu machen.

1.

Dem verstorbenen Ehemann der Klägerin standen im Zeitpunkt seines Todes noch 32 Urlaubstage nach dem Arbeitsvertrag in Verbindung mit § 125 Abs. 1 S. 1 SGB IX zu.

2.

Die Klägerin ist nach § 1922 Abs.1 BGB Alleinerbin ihres verstorbenen Mannes, dies wird durch das vorgelegte Testament hinreichend belegt. Sie ist damit berechtigt, die in die Erbmasse fallende Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber ihres verstorbenen Mannes geltend zu machen.

3.

Auf Grund der Entscheidung des EuGH vom 12.06.2014 (C-118/13) ist entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Vererbbarkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs (BAG vom 20.09.2011 – 9 AZR 416/10 – in: NZA 2012, 326 ff; BAG vom 12.03.2013 – 9 AZR 532/11 – in: NZA 2013, 678 ff) ein Anspruch der Klägerin auf Auszahlung der Urlaubsabgeltung zu bejahen.

Der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts steht nach der Entscheidung des EuGH Artikel 7 der Richtlinie 2003/88/EG (sog. Arbeitszeitrichtlinie) entgegen.

a.

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (9 AZR 416/10; 9 AZR 532/11) erlischt mit dem Tod des Arbeitnehmers der Urlaubsanspruch, da dessen höchstpersönliche Leistungspflicht nicht mehr besteht und alle Ansprüche auf Befreiung von dieser Arbeitspflicht untergehen. Dies gilt auch für den Urlaubsanspruch, der sich deshalb nicht mehr in einen Abgeltungsanspruch umwandeln kann. Dieses Ergebnis entspricht dem Abgeltungszweck von § 7 Abs. 4 BUrlG und Artikel 7 Abs. 2 der Arbeitszeitrichtlinie. Inhalt des Urlaubsanspruchs ist die Beseitigung der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers für die Dauer der Urlaubszeit. Die übrigen Pflichten des Arbeitsvertrages werden durch die Urlaubsgewährung grundsätzlich nicht berührt. Dies gilt für die Entgeltzahlungspflicht des Arbeitgebers, der vertragliche Entgeltanspruch des Arbeitnehmers besteht auch für die Dauer der Freistellung durch Urlaubsgewährung fort.

Mit dem Tod des Arbeitnehmers erlischt dessen höchstpersönliche Leistungspflicht nach § 613 BGB. Hieraus folgt, dass auch alle Ansprüche auf Befreiung von dieser Arbeitspflicht untergehen. Verstirbt ein Arbeitnehmer, so erlischt bereits deshalb zugleich sein auf Befreiung von der Arbeitspflicht gerichteter Urlaubsanspruch. Für den Urlaubsabgeltungsanspruch hat dies zur Folge, dass er nicht mehr entstehen kann. Stirbt der Arbeitnehmer, führt nicht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 7 Abs. 4 BUrlG zum Untergang des Urlaubsanspruchs, sondern bereits der Tod des Arbeitnehmers. Der Urlaubsanspruch kann sich nicht zeitgleich in einen Abgeltungsanspruch umwandeln, Anspruchsuntergang und gleichzeitige Umwandlung des Anspruchs schließen sich aus (BAG vom 20.09.2011 – 9 AZR 416/10 – a.a.O.).

Diese Rechtsprechung steht nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts im Einklang mit Artikel 7 Abs. 2 der Arbeitszeitrichtlinie. Danach darf der jedem Arbeitnehmer nach Artikel 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie zustehende bezahlte Mindestjahresurlaub außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden. Die Richtlinie geht damit grundsätzlich von einem Abgeltungsverbot im laufenden Arbeitsverhältnis aus. Wenn das Arbeitsverhältnis endet, ist es nicht mehr möglich, bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, deshalb sieht die Regelung des Artikel 7 Abs. 2 der Arbeitszeitrichtlinie für diesen Fall einen Anspruch vor, der den bezahlten Mindesturlaub durch eine finanzielle Vergütung ersetzt. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass dem Arbeitnehmer wegen der Unmöglichkeit der Urlaubsgewährung auf Grund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses jeder Genuss des bezahlten Jahresurlaubsanspruchs, selbst in finanzieller Form, verwehrt wird. Aus diesen sowohl von § 7 Abs. 4 BUrlG als auch von Artikel 7 Abs. 2 der Arbeitsrichtlinie verfolgten Zwecken – Abgeltungsverbot des Urlaubsanspruchs des Arbeitsnehmers im laufenden Arbeitsverhältnis einerseits sowie Schutz des Arbeitnehmers vor völligem Anspruchsverlust bei Beendigung durch eine finanzielle Vergütung andererseits – folgt zugleich, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch nur in der Person des ausgeschiedenen Arbeitnehmers entstehen kann. Außerdem kann der Schutzzweck des Artikels 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie, der darauf gerichtet ist, dem Arbeitnehmer eine tatsächliche Ruhezeit zum Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit zu gewähren, nur zu Lebzeiten des Arbeitnehmers erfüllt werden, er ist an die Person des Arbeitnehmers geknüpft. Deshalb steht auch Artikel 7 Abs. 1 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie einem Erlöschen des Urlaubsanspruchs bei Tod des Arbeitnehmers mit der Folge des Nichtentstehens eines Urlaubsabgeltungsanspruchs nicht entgegen. Dementsprechend scheidet auch eine erstmalige unmittelbare und originäre Anspruchsentstehung in der Person des Erben aus.

b.

Dem gegenüber hat der EuGH am 12.06.2014 (Rechtsache C-118/13 – in: NZA 2014, 651 f) auf das Vorabentscheidungsersuchen des LAG Hamm (16 Sa 1511/12) entschieden, dass der Anspruch auf finanzielle Vergütung eines beim Tod eines Arbeitnehmers noch bestehenden Urlaubsanspruchs entsteht, um den in Artikel 7 der Arbeitszeitrichtlinie verankerten Mindesturlaubsanspruch zu gewähren:

Der Anspruch jedes Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub ist ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Union. Artikel 7 der Arbeitszeitrichtlinie gehört nicht zu den Vorschriften, von denen die Richtlinie ausdrückliche Abweichungen zulässt, außerdem behandelt die Richtlinie die Ansprüche auf Jahresurlaub und auf Bezahlung während des Urlaubs als zwei Aspekte eines einzigen Anspruchs. Weiter muss nach Artikel 7 Abs. 2 der Arbeitszeitrichtlinie der noch offene Urlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgegolten werden, weil es dem Arbeitnehmer dann nicht mehr möglich ist, tatsächlich bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, ihm soll wegen dieser Unmöglichkeit aber nicht jeder Genuss des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaubs, hier in finanzieller Form, vorenthalten werden. Artikel 7 Abs. 2 der Arbeitszeitrichtlinie stellt für die Eröffnung des Anspruchs auf finanzielle Vergütung keine andere Voraussetzung auf als diejenige, dass zum einen das Arbeitsverhältnis beendet ist und dass zum anderen der Arbeitnehmer nicht den gesamten Jahresurlaub genommen hat, auf den er bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch hatte. Schließlich erweist sich ein finanzieller Ausgleich, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers geendet hat, als unerlässlich, um die praktische Wirksamkeit des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub sicher zu stellen. Würde nämlich die Pflicht zur Auszahlung von Jahresurlaubsansprüchen mit der durch den Tod des Arbeitnehmers bedingten Beendigung des Arbeitsverhältnisses enden, so hätte dieser Umstand zur Folge, dass ein unwägbares, weder vom Arbeitnehmer noch vom Arbeitgeber beherrschbares Vorkommnis rückwirkend zum vollständigen Verlust des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub selbst, wie er in Artikel 7 der Arbeitszeitrichtlinie verankert ist, führen würde. Nach Auffassung des EuGH kann deshalb Artikel 7 der Arbeitszeitrichtlinie nicht dahin ausgelegt werden, dass der besagte Anspruch durch den Tod des Arbeitnehmers untergehen kann (EuGH C-118/13 – a.a.O., Rd.Nr. 15 – 26).

c.

Unter Berücksichtigung der EuGH-Rechtsprechung ist deshalb davon auszugehen, dass der finanzielle Anspruch auf Urlaubsabgeltung auch dann entsteht, wenn ein Arbeitnehmer während des Bestandes seines Arbeitsverhältnisses verstirbt und zu diesem Zeitpunkt noch Urlaubsansprüche offen waren. Entsteht ein entsprechender Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG, Artikel 7 Abs. 2 Arbeitszeitrichtlinie, geht er in die Erbmasse ein, kann vererbt werden und dementsprechend von den Erben geltend gemacht werden.

d.

Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH kann die Klägerin mithin die Abgeltung des noch offenen Urlaubsanspruchs von der Beklagten verlangen, der beim Tod ihres Ehemannes bestand.

Dieser Abgeltungsanspruch beschränkt sich auch nicht auf den gesetzlichen Mindesturlaub. Denn die Voraussetzungen für die Entstehung des Abgeltungsanspruchs bezüglich des übergesetzlichen, hier einzelvertraglich begründeten Urlaubs, entsprechen denen für den gesetzlichen Urlaubsanspruch. Durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses beim Tod des Arbeitnehmers wird der zu diesem Zeitpunkt bestehende Urlaubsanspruch komplett in einen Urlaubsabgeltungsanspruch umgewandelt. Sonstige Aspekte, die eine Beschränkung auf den gesetzlichen Urlaub erforderlich machen würden, sind nicht ersichtlich.

4.

Der Beklagte war nicht berechtigt, die Aufrechnung gemäß §§ 387, 388 BGB mit der Vergütung für die behaupteten Minusstunden auf dem Arbeitszeitkonto zu erklären.

Denn er hat nicht substantiiert dargelegt, wie dieser Saldo entstanden ist.

Nach dem vorgelegten Auszug hatte der Ehemann der Klägerin erhebliche Mehrarbeitsstunden angesammelt, die sich am 31.05.2014 durch eine einmalige Ausbuchung von 92:30 Stunden in ein Minus wandelten. Der Beklagte hat, nachdem die Klägerin den Stand des Arbeitszeitkontos bestritten hat, nicht begründet, wie die Buchung vom 31.05.2014 sich zusammensetzt und wann und wie Minusstunden angefallen sind. Dies wäre hier aufgrund der Höhe der Minusstunden aber erforderlich gewesen, da diese Stundenzahl nicht an einem Tag anfallen konnte und sie deshalb einer gesonderten Begründung bedurft hätte.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO. Bezüglich der zurückgenommenen Klageforderung musste die Klägerin die Kosten tragen, bezüglich der ausgeurteilten Forderung der Beklagte.

Der Streitwert war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen.

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