Abgeltungsklausel im Arbeitsrecht: Einfluss auf Urlaubsabgeltungsanspruch und Überstunden
Die zentrale Rechtsfrage, die sich in Fällen wie dem vorliegenden stellt, betrifft die Wirksamkeit und Reichweite einer Abgeltungsklausel im Kontext eines Vergleichs im Arbeitsrecht. Insbesondere wird untersucht, inwieweit finanzielle Ansprüche, wie der Urlaubsabgeltungsanspruch, durch eine solche Klausel abgedeckt sind. Dabei wird auch die Frage aufgeworfen, ob und in welchem Umfang eine Schadensersatzpflicht entstehen kann, wenn bestimmte Unterlagen nicht rechtzeitig herausgegeben werden. Das Kernthema dreht sich somit um die Klärung und Abwicklung von Ansprüchen aus einem beendeten Arbeitsverhältnis, insbesondere im Hinblick auf finanzielle Leistungen, die auf dem Bruttomonatsgehalt basieren, und die rechtlichen Folgen von Verzögerungen bei der Herausgabe von Unterlagen.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Das Arbeitsgericht München entschied, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch und die Überstundenvergütung durch die Abgeltungsklausel im gerichtlichen Vergleich erloschen sind.
Die zentralen Punkte aus dem Urteil:
- Arbeitsverhältnis-Ende: Ein Triebfahrzeugführer und sein Arbeitgeber beendeten ihr Arbeitsverhältnis durch einen Vergleich nach einer fristlosen Kündigung.
- Vergleichsbedingungen: Der Vergleich sah vor, dass das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abgerechnet und der Nettobetrag an den Kläger ausgezahlt wird.
- Abgeltungsklausel: Die Klausel im Vergleich besagte, dass mit Erfüllung des Vergleichs alle gegenseitigen Ansprüche erledigt seien.
- Forderungen des Klägers: Der Kläger forderte später die Zahlung von 30 Überstunden und Urlaubsabgeltung für 16 nicht genommene Urlaubstage.
- Schadensersatz: Der Kläger forderte auch die Feststellung einer Schadensersatzpflicht aufgrund verspäteter Aushändigung von Lok-Zertifikaten.
- Interpretation der Abgeltungsklausel: Das Gericht entschied, dass die Abgeltungsklausel weit auszulegen ist und alle Ansprüche, einschließlich Urlaubsabgeltung, erledigt.
- Urteilsbegründung: Das Gericht argumentierte, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch ein anderer Streitgegenstand ist und nicht der ordnungsgemäßen Abrechnung des Arbeitsverhältnisses entnommen werden kann.
- Folgen des Urteils: Das Urteil betont die Wichtigkeit klarer Regelungen bei Vergleichen im Arbeitsrecht, um potenzielle Ansprüche abschließend zu klären.
Übersicht:
Ein komplexer Fall: Kündigung und Vergleich
Im Mittelpunkt des vorliegenden Falls steht ein ehemaliger Triebfahrzeugführer, der von Juni 2019 bis März 2021 bei einem Unternehmen beschäftigt war. Nach einer fristlosen Kündigung durch das Unternehmen am 4. Februar 2021, einigten sich die Parteien durch einen Vergleich am 6. April 2021 darauf, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung zum 15. März 2021 endet. Der Vergleich sah vor, dass das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß unter Zugrundelegung eines Bruttomonatsgehalts von 3.900 Euro abgerechnet und der resultierende Nettobetrag an den Kläger ausgezahlt wird. Zudem verpflichtete sich die Beklagte, bestimmte Unterlagen herauszugeben. Eine Abgeltungsklausel im Vergleich besagte, dass mit Erfüllung des Vergleichs alle gegenseitigen Ansprüche erledigt seien.
Streitpunkt: Urlaubsabgeltung und Überstunden
Die rechtliche Auseinandersetzung entstand, als der Kläger später die Abrechnung und Zahlung von 30 Überstunden sowie Urlaubsabgeltung für 16 Tage nicht genommenen Urlaubs anmahnte. Er reichte am 2. September 2021 Klage ein und forderte unter anderem die Herausgabe bestimmter Bescheinigungen, die Bezahlung von Urlaubsabgeltung und Überstundenvergütung sowie die Feststellung einer Schadensersatzpflicht aufgrund der verspäteten Aushändigung der Lok-Zertifikate. Der Kläger argumentierte, dass die Abgeltungsklausel nicht greife, da diese die Erfüllung des Vergleichs, also die Abrechnung und Auszahlung aller bis zum 15. März 2021 entstandenen finanziellen Ansprüche, voraussetze.
Gerichtsentscheidung: Auslegung der Abgeltungsklausel
Das rechtliche Problem und die Herausforderung in diesem Fall liegen in der Interpretation der Abgeltungsklausel und der Frage, ob der Anspruch auf Urlaubsabgeltung und Überstundenvergütung durch den Vergleich abgedeckt ist. Zudem steht die Frage im Raum, ob die verspätete Herausgabe der Lok-Zertifikate einen Schadensersatzanspruch begründet.
Das Arbeitsgericht München entschied mit dem Endurteil vom 19. Mai 2022, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch und die Überstundenvergütung durch die Abgeltungsklausel im Vergleich erloschen sind. Das Gericht argumentierte, dass Ausgleichsklauseln in einem Vergleich grundsätzlich weit auszulegen sind und alle Ansprüche erledigen sollen, unabhängig davon, ob die Parteien an diese dachten oder nicht. Es wurde festgestellt, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch ein anderer Streitgegenstand ist und nicht der ordnungsgemäßen Abrechnung des Arbeitsverhältnisses entnommen werden kann. Zudem wurde die Klage auf Überstundenvergütung abgewiesen, da der Kläger sein Vorbringen zu den Überstunden nicht ergänzt hatte.
Fazit: Die Bedeutung klarer Regelungen im Arbeitsrecht
Die Entscheidung des Gerichts beruht auf der Auslegung der Verträge und Prozessvergleiche nach §§ 133, 157 BGB und der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Die Auswirkungen des Urteils sind, dass der Kläger keinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung und Überstundenvergütung hat und dass die Abgeltungsklausel in Vergleichen eine wichtige Rolle spielt, um alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis abschließend zu klären.
Das Fazit des Urteils ist, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber bei Abschluss von Vergleichen im Arbeitsrecht darauf achten sollten, dass alle potenziellen Ansprüche, einschließlich Urlaubsabgeltung und Überstundenvergütung, klar und eindeutig geregelt sind. Andernfalls könnten solche Ansprüche durch eine Abgeltungsklausel erlöschen.
✔ Wichtige Begriffe kurz erklärt
Wie wirkt eine Erledigungsklausel in einem gerichtlichen Vergleich?
Eine Erledigungsklausel in einem gerichtlichen Vergleich hat die Funktion, bestimmte Forderungen und Ansprüche abzugelten und somit für klare Verhältnisse zwischen den Parteien zu sorgen. Sie wird oft in Aufhebungsverträgen, gerichtlichen und außergerichtlichen Vergleichen verwendet.
Die Erledigungsklausel kann in verschiedenen Formen auftreten. Eine Form ist die Ausgleichsklausel mit Verzichtswirkung, bei der durch einen Ausgleich, wie eine Abfindung, auf andere Ansprüche verzichtet wird. Eine andere Form ist die Ausgleichsklausel als reine Empfangsbestätigung, durch die sich beide Parteien absichern können, dass bestimmte Gegenstände, wie Arbeitslaptops oder Firmenwagen, zurückgegeben wurden und die Gegenseite das bestätigt hat.
Die Auslegung einer Erledigungsklausel erfolgt in der Regel weit, da die Parteien klare Verhältnisse schaffen und möglichen Streit in der Zukunft vermeiden wollen. Klauseln, die besagen, dass „alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis abgegolten“ sein sollen, können auch ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot und eine Karenzentschädigung umfassen.
Es ist jedoch zu beachten, dass die Erledigungsklausel zum einen deutlich von den anderen Bestandteilen im Aufhebungsvertrag abheben muss, um erkennbar zu sein und zum anderen, dass die Klausel als unwirksam gilt, wenn nur eine Partei durch sie begünstigt wird. Beide Parteien müssen Vorteile von der Unterzeichnung einer Erledigungsklausel haben, beispielsweise durch eine Abfindungszahlung an den Arbeitnehmer.
In der gerichtlichen Praxis wird die Erledigungsklausel oft auf die finanziellen Ansprüche begrenzt. Sollte Unsicherheit bestehen, inwieweit noch weitere Ansprüche bestehen, empfiehlt es sich, darauf zu dringen, dass lediglich der Rechtsstreit mit dem Vergleich erledigt wird. Damit erhält man sich die Möglichkeit, den betreffenden Regelungsgegenstand bei später aufkommenden Streitigkeiten einer gerichtlichen Klärung zuzuführen.
Eine typische Erledigungsklausel könnte lauten: „Mit Erfüllung des Vergleiches sind alle finanziellen, wechselseitigen Ansprüche der Parteien – egal ob bekannt oder unbekannt – erledigt“. Es ist jedoch zu beachten, dass bestimmte Ansprüche, wie zum Beispiel Ansprüche auf noch abzurechnende Provisionszahlungen, von der Erledigungsklausel ausgenommen werden können.
Es ist wichtig zu beachten, dass eine Erledigungsklausel auch dazu führen kann, dass der Arbeitnehmer keinen Anspruch mehr auf Urlaubsabgeltung hat. Daher sollte der Arbeitnehmer bei einer Erledigungsklausel vorsichtig sein und sich vorher rechtlich beraten lassen.
Das vorliegende Urteil
ArbG München – Az.: 36 Ca 7892/21 – Endurteil vom 19.05.2022
Leitsatz:
Die in einem gerichtlichen Vergleich enthaltene Klausel, wonach das Arbeitsverhältnis bis zu dessen Beendigung ordnungsgemäß unter Zugrundelegung eines bestimmten Bruttomonatsgehalts abzurechnen ist und der sich ergebende Nettobetrag auszuzahlen ist, führt dazu, dass alle Zahlungsansprüche – und insbesondere auch der Anspruch auf Urlaubsabgeltung –, die anhand der Bruttomonatsvergütung zu errechnen sind, aufgrund der weiteren Klausel im gerichtlichen Vergleich, wonach mit Erfüllung des Vergleichs sämtlich finanzielle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und aus Anlass von dessen Beendigung abgegolten sind, vollumfänglich abgegolten sind. (Rn. 22) (Rn. 24) (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits zu 85% und die Beklagte zu 15%.
3. Der Streitwert wird auf € 6.011,88 festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten nach durch Vergleich beendetem Arbeitsverhältnis über Zahlungsansprüche und Feststellung einer Schadensersatzpflicht dem Grunde nach. Der Kläger war vom 1.6.2019 bis zum 15.3.2021 bei der Beklagten als Triebfahrzeugführer beschäftigt. Den Rechtsstreit über die von der Beklagten am 4.2.2021 ausgesprochene fristlose Kündigung beendeten die Parteien durch Vergleich vom 6.4.2021.
Dieser Vergleich regelt unter anderem folgendes:
„1. Die Parteien sind sich einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 4.2.2021 mit Ablauf des 15.3.2021 geendet hat. Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß unter Zugrundelegung eines Bruttomonatsgehaltes von Euro 3.900,00 abrechnen und den sich ergebenden Nettobetrag an den Kläger auszahlen.
…
4. Die Beklagte Verpflichtet sich, an den Kläger folgende, ihn betreffende Unterlagen herauszugeben:
– LokZertifikate
– bahnärztliche Untersuchungen
– Prüfung- und Schulungsunterlagen …
6. Mit Erfüllung dieses Vergleichs sind sämtliche finanziellen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und aus Anlass dessen Beendigung abgegolten und erledigt.
…“
In der Folge übersandte die Beklagte dem Kläger wiederholt Unterlagen, die von diesem teilweise als unvollständig bzw. als nicht im Original vorgelegt beanstandet wurden. Desweiteren rechnete die Beklagte bis einschließlich 15.3.2021 das dem Kläger zustehende Bruttomonatsentgelt ab und zahlte dieses an ihn aus. Der Kläger mahnte zuletzt mit Schreiben vom 14.7.2021 bei der Beklagten zusätzlich die Abrechnung und Zahlung von 30 Überstunden sowie Urlaubsabgeltung für 16 Tage nicht genommenen Urlaubs aus den Jahren 2020 und 2021 an.
Mit Klage vom 2.9.2021 beanspruchte der Kläger die Erteilung verschiedener Prüfbescheinigungen im Original sowie die Herausgabe von konkret bezeichneten Bescheinigungen, die Bezahlung von Urlaubsabgeltung und Überstundenvergütung sowie die Feststellung einer dem Grunde nach bestehenden Schadensersatzpflicht aufgrund der verspäteten Aushändigung der unterzeichneten Lok-Zertifikate im Original.
Der Kläger macht geltend, dass die Abgeltungsklausel unter Ziff. 6 des Vergleichs nicht eingreife, da diese „die Erfüllung dieses Vergleichs“ voraussetze, mithin also die Abrechnung und Auszahlung aller bis 15.3.2021 entstandenen finanziellen Ansprüche, wozu auch Urlaubsabgeltung und Überstundenvergütung zählen würden. Aufgrund der fehlenden Lok-Zertifikate seien sämtliche Jobanfragen abschlägig verbeschieden worden. Hierdurch sei dem Kläger ein permanenter wirtschaftlicher Schaden durch Einkommensverluste entstanden, den die Beklagte zu tragen habe, da diese ihm die erforderlichen Unterlagen nicht bzw. nicht rechtzeitig habe zukommen lassen.
Im Schriftsatz vom 26.1.2022 teilte der Kläger mit, dass die Beklagte die geforderten Unterlagen zwischenzeitlich übermittelt habe und deshalb der Rechtsstreit hinsichtlich des Klageantrages zu 1 in der Hauptsache für erledigt erklärt werde, die Beklagte widersprach dieser Erledigungserklärung. Im Kammertermin vom 29.4.2022 schlossen die Parteien über Ziff. 1 der Klage einen widerruflichen Teilvergleich, der bestandskräftig wurde.
Der Kläger beantragt zuletzt,
1. Es wird festgestellt, dass Klageantrag Z. 1 aus der Klage vom 2.9.2021 sich in der Hauptsache erledigt hat.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Urlaubsabgeltung für die Jahre 2020 und ü2021 in Höhe von brutto 2836,36 Ort Euro sowie restliche Überstundenvergütung in Höhe von brutto 675,52 € jeweils nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 31. März 2021 zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von jeglichem Schaden freizustellen, der ihm infolge der verspäteten Aushändigung der unterzeichneten Lok-Zertifikate im Original entsteht.
Der Beklagte beantragt,
Klageabweisung.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass der Geltendmachung von Urlaubsabgeltungsansprüchen und Überstundenvergütung die im Vergleich vereinbarte Abgeltungsklausel entgegenstehe. Unabhängig davon sei der Kläger bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Anrechnung auf Erholungsurlaub und Überstunden freigestellt gewesen, Eventuelle Ansprüche des Klägers seien damit verbraucht. Darüber hinaus seien sämtliche Überstunden abgegolten bzw. abgebaut worden, im Ergebnis hätten sich sogar zum März 2021 elf Minusstunden angehäuft.
Schadensersatzansprüche bestünden nicht. Der Vorwurf „vergleichswidrigen Verhaltens“ laufe ins Leere, da der Vergleich insoweit die entsprechenden Papiere nicht annähernd konkret bezeichne. Zum Teil könnten Unterlagen nicht wie vom Kläger im Original übermittelt werden, da die Beklagte selbst nicht Ausstellerin aller geforderten Unterlagen sei. Zudem erscheine fraglich auf welcher Rechtsgrundlage im Einzelnen der Kläger seine Herausgabeforderung stütze.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens und der Rechtsausführungen wird auf die Schriftsätze des Klägers und der Beklagten jeweils nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen, §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 495, 313 Abs. 2 ZPO.
Entscheidungsgründe
Die zum zuständigen Arbeitsgericht erhobene Klage ist um Teil unzulässig, im Übrigen unbegründet.
I.
Die Klage ist bereits unzulässig, soweit mit Klageantrag Ziff. 3 die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung dem Grunde nach beansprucht wird. Es fehlt an dem gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, § 495, § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse.
Grundsätzlich fehlt das Feststellungsinteresse dann, wenn der Kläger dasselbe Ziel mit einer Klage auf Leistung erreichen kann. Es besteht zwar keine allgemeine Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage. Vielmehr ist eine Feststellungsklage trotz der Möglichkeit, Leistungsklage zu erheben, zulässig, wenn die Durchführung des Feststellungsverfahrens unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führt. Dementsprechend ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass dann, wenn eine Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist, der Kläger in vollem Umfang Feststellung der Ersatzpflicht begehren kann, vgl. BGH, Urteil vom 19. April 2016 – VI ZR 506/14.
Gegenstand des Feststellungsantrages ist vorliegend unter Berücksichtigung des Wortlauts des gestellten Klageantrags und bei sachgerechter Würdigung des Vorbringens des Klägers ausschließlich ein reiner Vermögensschaden, etwa in Form denkbarer Einkommensverluste, die durch einen verspäteten Erhalt von Bescheinigungen und Zertifikaten entstanden sind bzw. noch entstehen könnten. Anders geartete Schäden als reine Vermögensschäden hat der Kläger nicht behauptet. Im Schriftsatz vom 26.1.2022 teilte der Kläger mit, dass er sämtliche von ihm angeforderten Unterlagen zwischenzeitlich erhalten hat. Damit steht fest, dass – sollte eine schuldhafte, eine Schadensersatzpflicht auslösende Handlung bzw. Unterlassung der Beklagten vorgelegen haben – jedenfalls mit Erhalt der beanspruchten Papiere eine eventuelle Schadensentwicklung abgeschlossen, ein weitergehender Schadenseintritt aufgrund fehlender Papiere nicht mehr möglich war. Ein eventueller Schaden in Form von Verdiensteinbußen ist damit für den abgeschlossenen Zeitraum bezifferbar und damit vorrangig im Wege der Leistungsklage geltend zu machen.
Darauf, dass ein mit Verzug begründeter Schadensersatzanspruch wegen verspäteter Herausgabe von Papieren ein finanzieller Anspruch anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist und damit von der Abgeltungsklausel des Vergleiches erfasst wird, mithin dieser Anspruch nach Auffassung der Kammer auch unbegründet ist, kommt es entscheidungserheblich nicht mehr an.
II.
1. Die Klage war abzuweisen, soweit der Kläger Urlaubsabgeltung in einer Gesamthöhe von 2.836,36 € brutto von der Beklagten beansprucht, ein eventueller Anspruch ist nach der Abgeltungsklausel in Ziff. 6 des Vergleichs vom 6.4.2021 erloschen.
a) Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge und damit auch Prozessvergleiche so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Ebenso sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen.
Ausgleichsklauseln in einem gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich oder in einem Aufhebungsvertrag sind im Interesse klarer Verhältnisse grundsätzlich weit auszulegen. Durch eine Ausgleichsklausel im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wollen die Parteien in der Regel das Arbeitsverhältnis abschließend bereinigen und alle Ansprüche erledigen, gleichgültig, ob sie an diese dachten oder nicht, vgl. BAG, v. 22.10.2008 – 10 AZR 617/07.
b) Die Ausgleichsklausel in dem gerichtlichen Vergleich der Parteien vom 6.4.2021. ist als konstitutives negatives Schuldanerkenntnis zu verstehen.
aa) Mit dem von den Parteien geschlossenen Vergleich vom 03.07.2020 haben sie sich im Hinblick auf Zahlungsforderungen ausdrücklich darauf geeinigt, dass eine Abfindung gezahlt wird (Ziff. 3), dass das Arbeitsverhältnis auf der Grundlage eines Bruttomonatsgehaltes von 3.900,00 Euro abgerechnet und der sich daraus ergebende Betrag an den Kläger gezahlt wird (Ziff. 1) und dass mit Erfüllung des Vergleichs alle gegenseitigen Ansprüche erledigt sind (Ziff. 6). Etwas Anderes kann dem Wortlaut des Vergleiches nicht entnommen werden. Nur die zuvor aufgeführten Ansprüche der Parteien sind danach noch zu erfüllen.
bb) Entgegen der Ansicht des Klägers kann der nicht im Wortlaut des Vergleiches erwähnte Urlaubsabgeltungsanspruch nicht der formulierten, geschuldeten ordnungsgemäßen Abrechnung des Arbeitsverhältnisses auf der Grundlage eines bezifferten Bruttomonatsgehalts entnommen werden. Hierfür gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Das angeführte Bruttomonatsgehalt ist zweifelsfrei und eindeutig die Referenzgröße für das abzurechnende Gehalt je Monat für den noch abzurechnenden Zeitraum und beruht auf § 612 BGB. Ein Urlaubsabgeltungsanspruch ist ein völlig anderer Streitgegenstand und beruht auf § 7 Abs. 4 BUrlG. Er ist kein Verdienst im Sinne des § 612 BGB. Mit der Benennung des Bruttomonatsgehalts stellen die Parteien den Bezug zum geschuldeten Gehalt her und begrenzen damit auch zugleich die noch zu erfüllenden Verpflichtungen der Beklagten, vgl. auch Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 09. Juni 2021 – 3 Sa 82/21.
cc) Abgesehen von den im Vergleich geregelten Ansprüchen sollen damit „alle gegenseitigen Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis und solche Ansprüche, die damit in Verbindung stehen“, erledigt sein.
e) Zu den Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis gehören auch Urlaubsabgeltungsansprüche. Da die Ausgleichsklausel ihrem Wortlaut nach „sämtliche finanziellen Ansprüche“ unabhängig von ihrem Rechtsgrund erfasst, ist auch der Anspruch auf Urlaubsabgeltung „abgegolten und erledigt“. Das entspricht dem Sinn und Zweck des Prozessvergleichs, die arbeitsrechtliche Beziehung zwischen den Parteien endgültig zu klären und zu bereinigen.
2. Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg Überstundenvergütung i.H.v. 675,52 € brutto für 30 Überstunden verlangen, die Klage war insoweit abzuweisen.
Nach entsprechendem Bestreiten der Beklagten, wonach der Kläger kein Überstundenguthaben, sondern nach ihren Aufzeichnungen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Gegenteil sogar elf Minusstunden habe, hat der Kläger sein Vorbringen zum Vorliegen von Überstunden nicht ergänzt. So bleibt er jeglichem Vortrag schuldig, wann und in welchem Umfang er über die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung hinaus auf Anordnung oder mit Duldung der Beklagten gearbeitet haben will bzw. woraus sich sonst ein Stundenguthaben ergeben soll. Die behaupteten Überstunden sind damit bereits nicht schlüssig vorgetragen.
Ungeachtet dessen stünde nach Auffassung des Gerichts darüber hinaus einer Geltendmachung auch die unter Ziff. 6 des Vergleichs vom 6.4.2021 vereinbarte Abgeltungsklausel entgegen.
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, 92, 98 ZPO.
2. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 3 ff. ZPO. Für den Feststellungsantrag wurde dabei der halbe Hilfswert nach § 23 Abs. 3 RVG in Ansatz gebracht.
3. Gegen diese Entscheidung kann der Kläger Berufung einlegen. Auf anliegende Rechtsmittelbelehrung wird verwiesen.