Übersicht:
- Verhaltensbedingte Kündigung: Einblick in rechtliche Rahmenbedingungen und Urteile
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche rechtlichen Schutzmaßnahmen gibt es für Whistleblower im Arbeitsrecht?
- Was sind zulässige Methoden zur Dokumentation von Fehlverhalten am Arbeitsplatz?
- Wann ist eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung möglich?
- Welche internen Meldewege sollten vor einer externen Meldung genutzt werden?
- Wie kann man sich gegen eine ungerechtfertigte Kündigung wehren?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
- Datum: 21.03.2024
- Aktenzeichen: 7 Sa 509/23
- Verfahrensart: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Arbeitsrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Arbeitnehmer (Customer Service Representative), der gegen seine außerordentliche und hilfsweise ordentliche Kündigung klagt. Er argumentiert, dass er keinen Kollegen observiert oder beschattet hat und dass seine Krankheitszeiten gerechtfertigt waren.
- Beklagte: Mietwagenunternehmen, das die Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen ausgesprochen hat. Die Beklagte führt an, dass der Kläger den Kollegen unzulässigerweise überwacht und seine Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht habe.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Der Kläger wurde gekündigt, weil er angeblich arbeitsunfähig war und einen Kollegen beschattet habe, der privat ein Firmenfahrzeug nutzte. Der Kläger bestritt die Vorwürfe und forderte die Weiterbeschäftigung sowie ein Zwischenzeugnis.
- Kern des Rechtsstreits: Die Frage war, ob die angeblichen Pflichtverletzungen des Klägers eine außerordentliche oder ordentliche Kündigung rechtfertigen und ob der Kläger Anspruch auf Weiterbeschäftigung hat.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen. Die Kündigung wurde als unwirksam angesehen, und der Kläger hat Anspruch auf Weiterbeschäftigung und Erteilung eines Zwischenzeugnisses.
- Begründung: Es gab keine ausreichenden Beweise dafür, dass der Kläger seinen Kollegen observiert oder seine Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht hat. Eine vorherige Abmahnung wäre erforderlich gewesen.
- Folgen: Der Kläger bleibt weiterbeschäftigt und erhält ein Zwischenzeugnis. Die Revision wurde nicht zugelassen, wodurch das Urteil endgültig ist. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Verhaltensbedingte Kündigung: Einblick in rechtliche Rahmenbedingungen und Urteile
Verhaltensbedingte Kündigungen sind ein sensibles Thema im Arbeitsrecht, das häufig mit psychischen Belastungen am Arbeitsplatz verbunden ist. Ein besonders heikles Problem ist das Nachstellen oder Stalking von Mitarbeitern, das nicht nur den Betriebsfrieden gefährden kann, sondern auch erhebliche rechtliche Konsequenzen nach sich zieht. Mobbing und Belästigung am Arbeitsplatz stellen ernsthafte Verletzungen der Mitarbeiterrechte dar, die Arbeitgeber zur Reaktion zwingen können.
In solchen Fällen kann eine Abmahnung erteilt oder im Extremfall eine Kündigung ausgesprochen werden. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine solche Kündigung, insbesondere im Hinblick auf Kündigungsschutz und mögliche Zeugnisansprüche, sind komplex. Eine Fallanalyse zu einem aktuellen Gerichtsurteil gibt Einblicke, wie die Gerichte in solchen Konstellationen entscheiden und welche Schritte Betroffene unternehmen können.
Der Fall vor Gericht
Ungerechtfertigte Kündigung nach Aufdeckung von Firmenwagen-Missbrauch
Ein Customer Service Representative der Beklagten, einem Mietwagenunternehmen, klagte erfolgreich gegen seine fristlose sowie hilfsweise ordentliche Kündigung. Das Landesarbeitsgericht Köln bestätigte das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts Köln und wies die Berufung der Beklagten weitgehend zurück.
Dokumentation von Fehlverhalten führt zu Kündigung
Der seit April 2021 beschäftigte Kläger hatte Ende Dezember 2022 seinen Vorgesetzten darüber informiert, dass der stellvertretende Filialleiter einen Mietwagen entgegen den Firmenrichtlinien privat nutzte. Als sein Vorgesetzter dies nicht glaubte, wandte sich der Kläger an das Ethik-Komitee der Beklagten. Nach seiner Versetzung an eine andere Filiale im Januar 2023 dokumentierte er im März erneut die private Nutzung eines Firmenwagens durch den stellvertretenden Filialleiter, indem er das Fahrzeug in dessen Wohnumgebung fotografierte.
Arbeitgeber unterstellt vorgetäuschte Krankheit
Die Beklagte kündigte dem Mitarbeiter daraufhin fristlos, hilfsweise ordentlich. Sie warf ihm vor, den Kollegen über einen längeren Zeitraum beobachtet und seine Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht zu haben. Der zeitliche Zusammenhang zwischen der Versetzung und der anschließenden Krankmeldung sowie die Tatsache, dass er trotz Krankschreibung Autofahrten unternehmen konnte, sprächen nach Ansicht der Beklagten für eine Täuschung.
Gericht sieht keine Rechtfertigung für Kündigung
Das Landesarbeitsgericht bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und erklärte die Kündigung für unwirksam. Die einmalige Dokumentation des Fehlverhaltens stelle keine so schwerwiegende Pflichtverletzung dar, dass eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung gerechtfertigt wäre. Der Kläger habe ausschließlich im öffentlichen Raum fotografiert und nur das Fahrzeug, nicht aber den Kollegen selbst aufgenommen. Auch die behauptete Vortäuschung der Arbeitsunfähigkeit sah das Gericht als nicht erwiesen an. Der zeitliche Zusammenhang mit der Versetzung und eine einzelne Autofahrt während der Krankschreibung reichten nicht aus, um den Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zu erschüttern.
Weiterbeschäftigung angeordnet
Da das Arbeitsverhältnis fortbesteht, muss die Beklagte den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiterbeschäftigen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte. Eine Revision wurde nicht zugelassen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil stärkt die Position von Arbeitnehmern, die Fehlverhalten im Unternehmen aufdecken. Es zeigt, dass die Dokumentation von Regelverstößen durch Kollegen grundsätzlich zulässig ist, solange dies verhältnismäßig geschieht und im Interesse des Arbeitgebers liegt. Eine Kündigung wegen solcher Handlungen ist nicht gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer keine übermäßige Überwachung oder Nachstellung betreibt. Auch eine Krankschreibung steht der Aufdeckung von Missständen nicht grundsätzlich entgegen.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Als Arbeitnehmer dürfen Sie Regelverstöße im Unternehmen dokumentieren und melden, ohne eine Kündigung befürchten zu müssen. Wichtig ist dabei, dass Sie verhältnismäßig handeln und keine dauerhaften Überwachungsmaßnahmen durchführen. Eine einmalige Dokumentation durch Fotos ist erlaubt, wenn Sie damit Fehlverhalten nachweisen möchten. Auch während einer Krankschreibung können Sie Missstände aufdecken, solange dies Ihre Genesung nicht gefährdet. Melden Sie entdeckte Verstöße am besten direkt an die zuständigen Stellen wie ein Ethik-Komitee.
Ihr Recht auf Whistleblowing
Dieses Urteil unterstreicht den Schutz von Arbeitnehmern, die Missstände aufdecken. Gerade bei der Dokumentation von Fehlverhalten ist es jedoch wichtig, die rechtlichen Grenzen zu kennen, um selbst nicht angreifbar zu werden. Wir unterstützen Sie dabei, Ihre Rechte als Whistleblower wahrzunehmen und gleichzeitig rechtliche Fallstricke zu vermeiden. Sprechen Sie mit uns, um Ihre Situation individuell zu bewerten und die bestmögliche Vorgehensweise zu finden.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche rechtlichen Schutzmaßnahmen gibt es für Whistleblower im Arbeitsrecht?
Das am 2. Juli 2023 in Kraft getretene Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) gewährt Whistleblowern umfassende rechtliche Schutzmaßnahmen.
Schutz vor Benachteiligungen
Whistleblower genießen einen weitreichenden Schutz vor jeglichen Repressalien. Dies umfasst insbesondere den Schutz vor:
- Kündigungen
- Abmahnungen
- Versetzungen
- Verweigerung von Beförderungen
- Mobbing
Beweislasterleichterung
Eine zentrale Schutzmaßnahme ist die gesetzliche Beweislastumkehr. Wenn Sie als Whistleblower eine Benachteiligung im Zusammenhang mit Ihrer beruflichen Tätigkeit erleiden, wird automatisch vermutet, dass diese Benachteiligung eine verbotene Repressalie darstellt. Der Arbeitgeber muss dann nachweisen, dass die Maßnahme nicht mit der Meldung in Zusammenhang steht.
Vertraulichkeit und Anonymität
Das Gesetz sichert Ihnen als Hinweisgeber absolute Vertraulichkeit zu. Die Meldestellen müssen Ihre Identität und alle weiteren Informationen streng vertraulich behandeln. Sie können Hinweise auch anonym einreichen – die Meldestellen sind verpflichtet, auch anonymen Hinweisen nachzugehen.
Meldekanäle und Verfahrensgarantien
Unternehmen ab 50 Beschäftigten müssen sichere interne Meldekanäle einrichten. Als Whistleblower haben Sie die freie Wahl:
- Sie können sich an die interne Meldestelle Ihres Unternehmens wenden
- Sie können sich direkt an eine externe Meldestelle beim Bundesamt für Justiz wenden
Nach Eingang Ihrer Meldung muss diese innerhalb von sieben Tagen bestätigt werden. Innerhalb von drei Monaten müssen Sie über die ergriffenen Maßnahmen informiert werden.
Schadensersatzansprüche
Bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot stehen Ihnen als Whistleblower Schadensersatzansprüche zu. Diese können Sie gerichtlich geltend machen, wenn Sie trotz der Schutzvorschriften Nachteile erleiden.
Der Schutz gilt allerdings nicht unbegrenzt: Wenn Sie vorsätzlich oder grob fahrlässig falsche Informationen melden, verlieren Sie den gesetzlichen Schutz. Eine leichtfertige Falschmeldung reicht dafür jedoch nicht aus.
Was sind zulässige Methoden zur Dokumentation von Fehlverhalten am Arbeitsplatz?
Die Dokumentation von Fehlverhalten am Arbeitsplatz unterliegt strengen rechtlichen Vorgaben. Als Arbeitgeber stehen Ihnen verschiedene Dokumentationsmethoden zur Verfügung, die jedoch stets verhältnismäßig sein müssen.
Schriftliche Dokumentation
Die schriftliche Dokumentation ist die wichtigste und rechtlich unbedenklichste Form. Dabei sollten Sie Fehlverhalten unter Angabe von Tag, Zeit, Ort und konkretem Sachverhalt präzise festhalten. Bei Vorfällen empfiehlt sich die Nennung von Zeugen und eine detaillierte Beschreibung der Situation.
Elektronische Überwachung
Eine elektronische Überwachung ist nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig:
Die Zeiterfassung zur Kontrolle der Arbeitszeiten ist nicht nur erlaubt, sondern sogar verpflichtend. Die Internetnutzung darf nur bei konkretem Verdacht auf Fehlverhalten überprüft werden.
Eine Videoüberwachung ist ausschließlich zulässig, wenn:
- Ein berechtigtes Interesse des Unternehmens vorliegt
- Die Maßnahme verhältnismäßig ist
- Die Mitarbeiter vorab informiert wurden
Besondere Situationen
Bei konkretem Verdacht auf Straftaten können ausnahmsweise auch verdeckte Überwachungsmaßnahmen zulässig sein. Hierfür müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:
- Es liegen tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat vor
- Es existieren keine milderen Mittel zur Aufklärung
- Die Maßnahme steht in einem angemessenen Verhältnis zum Verdacht
Rechtliche Grenzen
Bei jeder Form der Dokumentation müssen Sie die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter und den Datenschutz beachten. Eine dauerhafte und allumfassende Überwachung ist unzulässig. Wenn Sie Überwachungsmaßnahmen einsetzen, müssen diese:
- Einem legitimen Zweck dienen
- Transparent sein
- Die schutzwürdigen Interessen der Mitarbeiter berücksichtigen
Bei Verstößen gegen diese Vorgaben riskieren Sie nicht nur die Unverwertbarkeit der gewonnenen Beweise, sondern auch erhebliche Bußgelder nach der DSGVO.
Wann ist eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung möglich?
Eine fristlose Kündigung ohne Abmahnung ist nur unter sehr strengen Voraussetzungen wirksam. Nach § 626 BGB muss ein wichtiger Grund vorliegen, der die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigt.
Schwerwiegende Pflichtverletzungen
Bei besonders schwerwiegenden Verstößen gegen arbeitsvertragliche Pflichten kann eine Abmahnung entbehrlich sein. Dies ist der Fall, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer so stark geschädigt ist, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar erscheint.
Typische Kündigungsgründe ohne Abmahnung
Folgende Verhaltensweisen können eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen:
- Straftaten im Arbeitsverhältnis wie Diebstahl oder Unterschlagung
- Tätlichkeiten oder schwerwiegende Beleidigungen gegenüber Vorgesetzten oder Kollegen
- Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz
- Verrat von Geschäftsgeheimnissen
- Spesenbetrug oder schwerer Missbrauch einer Vollmacht
Einzelfallprüfung erforderlich
Die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung ohne Abmahnung hängt stets von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Dabei müssen die Interessen beider Vertragsparteien gegeneinander abgewogen werden. Ein wichtiger Aspekt ist die Schwere des Verstoßes: Je schwerwiegender die Pflichtverletzung, desto eher kann auf eine Abmahnung verzichtet werden.
Welche internen Meldewege sollten vor einer externen Meldung genutzt werden?
Das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) sieht ein dreistufiges Meldesystem vor, wobei Sie als Hinweisgeber die freie Wahl zwischen internen und externen Meldekanälen haben. Dennoch empfiehlt die EU-Richtlinie, zunächst interne Meldewege zu nutzen.
Interne Meldemöglichkeiten
Als erste Anlaufstelle steht Ihnen die interne Meldestelle Ihres Unternehmens zur Verfügung. Diese kann auf verschiedene Arten eingerichtet sein:
- Eine Whistleblower-Hotline (telefonisch oder per E-Mail)
- Ein Ombudsmann als externe, neutrale Person
- Eine speziell benannte Person im Unternehmen
- Ein IT-gestütztes Meldesystem
Vertraulichkeit und Anonymität
Die Meldestelle muss absolute Vertraulichkeit garantieren. Viele Unternehmen bieten die Möglichkeit zu anonymen Meldungen an, auch wenn dies nicht gesetzlich vorgeschrieben ist. Die technische Umsetzung ermöglicht dabei auch anonyme Rückfragen an Sie als Hinweisgeber.
Besonderheiten bei der Meldung
Wenn Sie einen Missstand melden möchten, müssen Sie nicht zwingend alle Eskalationsstufen durchlaufen. Ein direkter Gang an die Öffentlichkeit wird jedoch nur in Ausnahmefällen vom Schutz des Gesetzes erfasst. Die interne Meldestelle muss Ihnen innerhalb von sieben Tagen eine Eingangsbestätigung zusenden.
Rechtliche Schutzwirkung
Als Hinweisgeber genießen Sie umfassenden Schutz vor Repressalien, wenn Sie den vorgesehenen Meldeweg einhalten. Dies gilt auch für Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern, auch wenn diese keine interne Meldestelle einrichten müssen. Die Dokumentation Ihrer Meldung wird für drei Jahre aufbewahrt.
Wie kann man sich gegen eine ungerechtfertigte Kündigung wehren?
Bei einer ungerechtfertigten Kündigung müssen Sie innerhalb von drei Wochen nach Erhalt der schriftlichen Kündigung eine Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht einreichen. Diese Frist ist zwingend einzuhalten, da die Kündigung andernfalls als rechtswirksam gilt – auch wenn sie eigentlich rechtswidrig wäre.
Voraussetzungen für die Kündigungsschutzklage
Die Kündigung muss in Schriftform erfolgt und vom Arbeitgeber oder einer bevollmächtigten Person unterzeichnet sein. Eine nur mündlich oder per WhatsApp ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. Wenn die Kündigung von einer bevollmächtigten Person unterzeichnet wurde, können Sie die Kündigung unverzüglich zurückweisen, falls keine Originalvollmacht vorgelegt wird.
Ablauf des Kündigungsschutzverfahrens
Nach Einreichung der Klage findet zunächst eine Güteverhandlung statt. In diesem Termin wird versucht, eine einvernehmliche Lösung zwischen Ihnen und dem Arbeitgeber zu finden. Kommt keine Einigung zustande, folgt ein Kammertermin, in dem das Gericht die Wirksamkeit der Kündigung prüft.
Ausnahmen bei Fristversäumnis
In besonderen Fällen können Sie auch nach Ablauf der drei Wochen noch eine nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage beantragen. Dies ist möglich, wenn Sie trotz Anwendung aller zumutbaren Sorgfalt an der rechtzeitigen Klageerhebung gehindert waren, etwa durch eine schwere Krankheit. Der Antrag muss dann innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gestellt werden.
Die Kündigungsschutzklage kann sich gegen jede Art von Kündigung richten – sei es eine ordentliche, außerordentliche oder Änderungskündigung. Das Kündigungsschutzgesetz schützt dabei vor sozial ungerechtfertigten Kündigungen, die nicht durch Gründe in der Person, im Verhalten oder durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt sind.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Verhaltensbedingte Kündigung
Eine Kündigung, die aufgrund des Verhaltens eines Arbeitnehmers ausgesprochen wird. Sie setzt ein schuldhaftes Fehlverhalten voraus, das gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstößt. Anders als bei der personenbedingten Kündigung liegt der Grund nicht in der Person selbst, sondern in deren steuerbarem Verhalten. Gemäß § 1 KSchG muss das Verhalten so schwerwiegend sein, dass es dem Arbeitgeber nicht zuzumuten ist, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Beispiel: Wiederholtes unentschuldigtes Fehlen trotz Abmahnung.
Abmahnung
Eine förmliche Rüge des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer wegen eines konkreten Fehlverhaltens. Sie dient als Warnung und ist meist Voraussetzung für eine verhaltensbedingte Kündigung nach § 314 BGB. Die Abmahnung muss das Fehlverhalten konkret beschreiben, dessen Beseitigung fordern und für den Wiederholungsfall die Kündigung androhen. Beispiel: Ein Mitarbeiter kommt wiederholt zu spät und erhält eine schriftliche Abmahnung mit der Aufforderung, künftig pünktlich zu erscheinen.
Kündigungsschutz
Gesetzlicher Schutz des Arbeitnehmers vor ungerechtfertigten Kündigungen nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Er gilt in Betrieben mit mehr als 10 Mitarbeitern und nach 6-monatiger Beschäftigungsdauer. Der Arbeitgeber muss die Kündigung sozial rechtfertigen durch betriebliche, verhaltens- oder personenbedingte Gründe. Ein Beispiel ist die Pflicht zur vorherigen Abmahnung bei verhaltensbedingten Kündigungen.
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Ein ärztliches Attest, das die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers bestätigt. Nach § 5 EntgFG hat sie einen hohen Beweiswert, der nur durch konkrete Tatsachen erschüttert werden kann, die ernsthafte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit begründen. Die bloße Vermutung einer vorgetäuschten Krankheit reicht nicht aus. Beispiel: Auch während einer Krankschreibung sind alltägliche Aktivitäten wie kurze Autofahrten erlaubt.
Betriebsfrieden
Der Zustand eines störungsfreien Zusammenarbeitens aller Beschäftigten im Betrieb. Er ist ein geschütztes Rechtsgut, dessen Störung arbeitsrechtliche Konsequenzen haben kann. Gemäß § 241 Abs. 2 BGB sind sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer verpflichtet, auf die Rechte und Interessen der anderen Betriebsangehörigen Rücksicht zu nehmen. Beispiel: Mobbing oder Stalking können den Betriebsfrieden erheblich stören.
Whistleblowing
Das Aufdecken und Melden von Missständen oder rechtswidrigen Handlungen im Unternehmen durch Mitarbeiter. Seit dem Hinweisgeberschutzgesetz genießen Whistleblower besonderen rechtlichen
Schutz vor Repressalien wie Kündigungen. Die Meldung muss in gutem Glauben und über vorgesehene Meldekanäle (z.B. Ethik-Komitee) erfolgen. Beispiel: Ein Mitarbeiter deckt die missbräuchliche private Nutzung von Firmeneigentum auf.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 626 Abs. 1 BGB (Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund):
Eine außerordentliche Kündigung kann nach § 626 Abs. 1 BGB nur ausgesprochen werden, wenn Tatsachen vorliegen, die unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und der Interessen beider Vertragspartner eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar machen. Das Gericht prüft, ob ein Verhalten des Arbeitnehmers „an sich“ geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, und ob im Rahmen einer Interessenabwägung das Verhalten tatsächlich eine Kündigung trägt.
Im vorliegenden Fall argumentiert die Beklagte, dass das angebliche Beschatten eines Kollegen einen wichtigen Grund darstellt. Das Gericht hat dies zwar „an sich“ anerkannt, jedoch aufgrund der geringen Intensität der behaupteten Überwachung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses als zumutbar angesehen. - § 1 Abs. 2 KSchG (Kündigungsschutz bei verhaltensbedingter Kündigung):
Nach § 1 Abs. 2 KSchG ist eine Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch das Verhalten des Arbeitnehmers gerechtfertigt ist. Dabei muss die Kündigung verhältnismäßig sein, was bedeutet, dass vorherige Abmahnungen in Betracht gezogen werden und das Fehlverhalten erheblich sein muss.
Im vorliegenden Fall hat das Gericht entschieden, dass das einmalige Fotografieren eines Mietwagens und der geringe Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Kollegen keinen ausreichenden Grund für eine verhaltensbedingte Kündigung darstellen. - § 5 EFZG (Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall):
Nach § 5 EFZG ist der Arbeitnehmer verpflichtet, die Arbeitsunfähigkeit unverzüglich mitzuteilen und auf Verlangen eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen. Die Beweiskraft einer solchen Bescheinigung kann nur durch konkrete, objektive Zweifel erschüttert werden.
Das Gericht hat festgestellt, dass der Kläger die Bescheinigung ordnungsgemäß vorgelegt hat und der Beweiswert nicht durch die von der Beklagten vorgebrachten Zweifel erschüttert wurde. Das Fotografieren eines Mietwagens sei kein ausreichender Beleg für eine vorgetäuschte Erkrankung. - § 611a BGB (Pflichten aus dem Arbeitsvertrag):
Nach § 611a BGB ist der Arbeitnehmer verpflichtet, seine Arbeitsleistung nach Weisung des Arbeitgebers zu erbringen. Dazu gehört auch die Verpflichtung zur Loyalität und zur Wahrung des Betriebsfriedens.
Die Beklagte stützte sich auf die Verletzung der Loyalitätspflicht durch das angebliche Beschatten des Kollegen. Das Gericht hat jedoch entschieden, dass der Kläger in der Überzeugung handelte, im Interesse des Unternehmens zu handeln, indem er ein mutmaßliches Fehlverhalten meldete. - Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB (Persönlichkeitsrechte und Nebenpflichten):
Nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB ist das Persönlichkeitsrecht eines Arbeitnehmers zu schützen, insbesondere vor Eingriffen durch Kollegen. Gleichzeitig hat der Arbeitnehmer Pflichten, die Integrität des Kollegen zu wahren.
Das Gericht erkannte, dass das Fotografieren des Mietwagens nur einen geringen Eingriff darstellte, da weder der Kollege selbst noch dessen Privatanschrift direkt betroffen waren. Die Interessenabwägung fiel zugunsten des Klägers aus.
Das vorliegende Urteil
Landesarbeitsgericht Köln – Az.: 7 Sa 509/23 – Urteil vom 21.03.2024
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