➔ Zum vorliegenden Urteil Az.: 6 Sa 607/22 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Hilfe anfordern
Übersicht:
- ✔ Der Fall: Kurz und knapp
- Formfehler macht Befristung unwirksam – Arbeitgeber unterlag vor Gericht
- ✔ Der Fall vor dem Landesarbeitsgericht Köln
- ✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
- ✔ FAQ – Häufige Fragen
- § Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- ⇓ Das vorliegende Urteil vom Landesarbeitsgericht Köln
✔ Der Fall: Kurz und knapp
- Streitpunkt: Die Parteien stritten über die Wirksamkeit der Befristung eines Arbeitsvertrages und mehrere vorsorgliche Kündigungen.
- Arbeitsgericht Köln: Das Arbeitsgericht entschied, dass die Befristung des Arbeitsvertrags unwirksam sei, da die notwendige Schriftform nicht eingehalten wurde.
- Berufung: Die Beklagte legte Berufung ein und argumentierte, dass das Bestreiten der Schriftform durch den Kläger unzulässig sei.
- Beweislast: Das Gericht stellte fest, dass die Beklagte die Beweislast für die Einhaltung der Schriftform trägt.
- Urkundenbeweis: Der von der Beklagten eingereichte Scan des Vertrages wurde als unzureichender Beweis angesehen, da das Originaldokument vernichtet wurde.
- Bestreiten mit Nichtwissen: Das Gericht akzeptierte das Bestreiten des Klägers mit Nichtwissen, da er nachvollziehbar darlegte, warum er sich nicht an die Unterschrift erinnern konnte.
- Entscheidung des Berufungsgerichts: Die Berufung wurde zurückgewiesen, da keine neuen Beweise vorgelegt wurden, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten.
- Kosten: Die Beklagte muss die Kosten des Berufungsverfahrens tragen.
- Keine Revision: Das Gericht ließ keine Revision zu, da die Entscheidung auf den spezifischen Umständen des Falles basierte.
- Auswirkungen: Diese Entscheidung stärkt die Position von Arbeitnehmern, die gegen unwirksame Befristungen ihres Arbeitsvertrags vorgehen möchten, indem sie die Wichtigkeit der Einhaltung formaler Anforderungen unterstreicht.
Formfehler macht Befristung unwirksam – Arbeitgeber unterlag vor Gericht
Ob ein befristeter Arbeitsvertrag rechtlich zulässig ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Grundsätzlich soll die Befristung die Ausnahme sein und nur in begründeten Fällen erfolgen. Arbeitgeber müssen hierfür konkrete sachliche Gründe darlegen können.
Die Beweislast liegt dabei auf Seiten des Arbeitgebers. Im Zweifelsfall gilt ein Arbeitsvertrag als unbefristet. Arbeitnehmer sollten daher genau prüfen, ob die Befristung ihres Vertrags rechtmäßig ist.
Im Folgenden wird ein aktuelles Gerichtsurteil zu diesem Thema vorgestellt und analysiert. Es zeigt, worauf Beschäftigte in puncto Befristungen achten müssen und welche Rechte sie haben.
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✔ Der Fall vor dem Landesarbeitsgericht Köln
Unwirksame Befristung eines Arbeitsvertrags wegen Verstoßes gegen Form- und Beweisvorschriften

Im vorliegenden Fall ging es um die Wirksamkeit einer Befristung eines Arbeitsvertrags zwischen einem Arbeitnehmer und seinem Arbeitgeber. Das Landesarbeitsgericht Köln entschied mit Urteil vom 09.02.2023 (Az.: 6 Sa 607/22), dass die vereinbarte Befristung unwirksam war.
Klageantrag und Vorgeschichte
Der Kläger war bereits mehrfach für den beklagten Arbeitgeber tätig. Für den Zeitraum vom 01.09.2019 bis 31.08.2020 schlossen die Parteien einen befristeten Arbeitsvertrag. Anschließend arbeitete der Kläger weiter, jedoch war zwischen den Parteien streitig, ob dies auf Grundlage einer wirksamen Verlängerungsvereinbarung erfolgte.
Der Kläger klagte auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht zum 31.08.2021 durch die Befristung geendet habe. Er bestritt, dass die dem Befristungsvertrag zugrundeliegende Urkunde unterschrieben gewesen sei.
Arbeitsgericht gibt Klage statt
Das Arbeitsgericht Köln gab der Klage mit Teilurteil statt. Es führte aus, dass die Befristungsvereinbarung mangels Schriftform unwirksam sei. Gemäß § 14 Abs. 4 TzBfG war Schriftform für die Wirksamkeit erforderlich. Der Beklagten sei es nicht gelungen, den Beweis für das Vorliegen der Schriftform zu erbringen. Der Scan der Vertragsurkunde reiche hierfür nicht aus.
Berufung des Arbeitgebers bleibt erfolglos
Auf die Berufung des Arbeitgebers wies das Landesarbeitsgericht diese zurück. Das Bestreiten des Klägers mit „nicht-mehr-Wissen“ sei zulässig gewesen, da er plausibel dargelegt habe, sich nicht mehr an die Einzelheiten zu erinnern.
Daher oblag der Beweislast für das Vorliegen der Schriftform dem Arbeitgeber. Diesen Beweis habe er nicht erbracht. Der vorgelegte Scan der Vertragsurkunde reichte hierfür nicht aus.
Bedeutung für die Praxis
Das Urteil zeigt die Bedeutung der Form- und Beweisvorschriften für die Wirksamkeit von Befristungsabreden auf. Arbeitgebern wird empfohlen, Originalurkunden aufzubewahren und sich nicht allein auf Scans zu verlassen. Andernfalls droht die Unwirksamkeit einer beabsichtigten Befristung.
✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
Diese Entscheidung unterstreicht die strikte Bindung des Arbeitsrechts an Form- und Beweisvorschriften. Selbst bei Zustimmung beider Parteien führt die Nichteinhaltung der Schriftform zur Unwirksamkeit einer Befristungsabrede. Arbeitgeber tragen die Beweislast und müssen Originalurkunden vorweisen – Scans genügen nicht. Formalmängel können beabsichtigte Rechtswirkungen zunichtemachen.
✔ FAQ – Häufige Fragen
Das Thema: Unwirksame Arbeitsvertragsbefristung wirft bei vielen Lesern Fragen auf. Unsere FAQ-Sektion bietet Ihnen wertvolle Insights und Hintergrundinformationen, um Ihr Verständnis für dieses Thema zu vertiefen. Weiterhin finden Sie in der Folge einige der Rechtsgrundlagen, die für dieses Urteil wichtig waren.
Wann ist eine Befristung eines Arbeitsvertrags überhaupt zulässig?
Die Befristung eines Arbeitsvertrags in Deutschland ist nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) regelt die Rahmenbedingungen dafür. Es unterscheidet zwischen befristeten Verträgen mit und ohne Sachgrund.
Befristete Verträge mit Sachgrund sind erlaubt, wenn ein sachlicher Grund vorliegt. Solche Gründe können laut Gesetz beispielsweise die vorübergehende Vertretung eines anderen Arbeitnehmers, ein nur vorübergehender Beschäftigungsbedarf oder eine Probezeit sein. Die Befristung muss dem konkreten Sachgrund angemessen sein.
Befristete Verträge ohne Sachgrund sind ebenfalls möglich, unterliegen aber strengeren Regeln. Eine solche sachgrundlose Befristung ist nur bis zu einer Gesamtdauer von zwei Jahren zulässig. Innerhalb dieses Zeitraums darf der Vertrag maximal dreimal verlängert werden. Zudem muss es sich um ein Neueinstellungsverhältnis handeln – gab es bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber, ist eine sachgrundlose Befristung nicht erlaubt.
Es gibt einige Ausnahmen von diesen Regeln. So ist bei Arbeitnehmern ab 52 Jahren nach Arbeitslosigkeit eine Befristung bis zu fünf Jahren ohne Sachgrund möglich. In den ersten vier Jahren nach Existenzgründung eines Unternehmens gelten ebenfalls Sonderregelungen.
Die Beweislast für die Wirksamkeit einer Befristung liegt beim Arbeitgeber. Dieser muss darlegen und beweisen, dass die Voraussetzungen für die Befristung vorlagen. Gelingt ihm das nicht, ist die Befristung unwirksam und der Arbeitsvertrag gilt als unbefristet.
Welche Formerfordernisse müssen für eine wirksame Befristung erfüllt sein?
Die Wirksamkeit einer Befristungsabrede im Arbeitsvertrag hängt maßgeblich von der Einhaltung bestimmter Formerfordernisse ab. Gemäß § 14 Abs. 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) muss eine Befristung zwingend schriftlich vereinbart werden. Eine bloß mündliche Abrede genügt nicht. Die Schriftform im Sinne des § 126 Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ist erforderlich. Das bedeutet, beide Vertragsparteien müssen die Befristungsabrede eigenhändig durch Unterschrift bestätigen. Reine Textform wie E-Mails, PDF-Dokumente oder elektronische Signaturen reichen nicht aus.
Wird die Schriftform nicht eingehalten, bleibt der Arbeitsvertrag zwar wirksam, die Befristung selbst ist jedoch unwirksam. Der Vertrag gilt dann als unbefristet geschlossen. Darüber hinaus muss die Befristungsabrede vor Arbeitsaufnahme getroffen werden. Eine nachträgliche Befristung ist unwirksam.
Die Beweislast für die Wirksamkeit der Befristung trägt der Arbeitgeber. Er muss im Streitfall nachweisen, dass die formellen Anforderungen erfüllt wurden. Gelingt ihm dieser Nachweis nicht, gilt der Arbeitsvertrag als unbefristet. Für Arbeitnehmer ist es daher essenziell, die Einhaltung der Formerfordernisse zu prüfen, um beurteilen zu können, ob ihr Vertrag wirksam befristet ist.
Wer trägt im Streitfall die Beweislast für die Wirksamkeit einer Befristung?
Die Frage, wer im Streitfall die Beweislast für die Wirksamkeit einer Befristung trägt, ist von großer Bedeutung. Grundsätzlich obliegt dem Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für den Sachgrund, der die Befristung rechtfertigen soll.
Durch das Teilzeit- und Befristungsgesetz hat sich die Rechtslage geändert. Unbefristete Arbeitsverhältnisse sind nun der Normalfall, befristete Arbeitsverträge bilden die Ausnahme. Da der Arbeitgeber sich auf den Ausnahmefall der Befristung beruft, muss er die Voraussetzungen dafür darlegen und beweisen.
Der Arbeitgeber ist darlegungs- und beweispflichtig für die Vereinbarung der Befristung, deren Dauer und den Sachgrund, der die Befristung rechtfertigt. Er muss auch die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Schriftform für die Befristungsabrede nachweisen.
Die frühere Rechtsprechung, wonach der Arbeitnehmer für das Fehlen eines Sachgrunds beweispflichtig war, lässt sich nach der Neuregelung nicht mehr aufrechterhalten. Die Beweislast liegt nun klar beim Arbeitgeber als derjenigen Partei, die sich auf die Ausnahme der Befristung beruft.
Praktisches Beispiel: Ein Arbeitnehmer klagt auf Feststellung des unbefristeten Arbeitsverhältnisses. Der Arbeitgeber muss dann im Prozess den Sachgrund für die vereinbarte Befristung schlüssig darlegen und beweisen, etwa durch Vorlage der Vertragsunterlagen und Erläuterung der konkreten betrieblichen Gründe.
Welche Folgen hat die Unwirksamkeit einer Befristung für das Arbeitsverhältnis?
Die Unwirksamkeit einer Befristung hat weitreichende Folgen für das Arbeitsverhältnis. Ist die Befristung unwirksam, gilt der Arbeitsvertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen. Das bedeutet, der Arbeitgeber kann das Arbeitsverhältnis frühestens zum vereinbarten Ende der Befristung durch ordentliche Kündigung beenden. Eine vorzeitige Beendigung ist nur in den gesetzlich geregelten Ausnahmefällen nach § 15 Abs. 4 TzBfG möglich.
Eine Ausnahme besteht, wenn die Befristung lediglich wegen eines Mangels der Schriftform unwirksam ist. In diesem Fall kann der Arbeitsvertrag auch vor dem vereinbarten Ende ordentlich gekündigt werden.
Für die Wirksamkeit der Befristung trägt der Arbeitgeber die volle Darlegungs- und Beweislast. Er muss darlegen und beweisen, dass die Befristung durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist oder die Voraussetzungen für eine Befristung ohne Sachgrund vorlagen. Gelingt ihm dieser Beweis nicht, ist die Befristung unwirksam.
Will der Arbeitnehmer die Unwirksamkeit geltend machen, muss er innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Vertragsende Klage beim Arbeitsgericht erheben. Klagt er nicht fristgerecht, gilt die Befristung als von Anfang an wirksam. Der Arbeitnehmer kann so eine eigentlich unwirksame Befristung durch Verstreichenlassen der Klagefrist wirksam werden lassen.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 14 Abs. 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG): Eine Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf der Schriftform. Im vorliegenden Fall wurde festgestellt, dass die Befristungsvereinbarung diese Schriftform nicht einhielt, weshalb die Befristung unwirksam war.
- § 138 Abs. 4 Zivilprozessordnung (ZPO): Das Bestreiten mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlung der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind. Der Kläger durfte bestreiten, ob die Vertragsurkunde im Original unterschrieben war.
- § 420 Zivilprozessordnung (ZPO): Urkundenbeweis kann nur durch Vorlage der Originalurkunde geführt werden. Der vorgelegte Scan reichte nicht aus, da das Originaldokument vernichtet wurde.
- § 286 Zivilprozessordnung (ZPO): Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung. Das Gericht entschied, dass der vorgelegte Scan keine ausreichende Beweiskraft hatte.
- § 97 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO): Kostenentscheidung zu Lasten der unterliegenden Partei. Die Beklagte musste die Kosten des Berufungsverfahrens tragen, da sie unterlag.
- § 103 Grundgesetz (GG): Anspruch auf rechtliches Gehör. Das Gericht berücksichtigte, dass der Kläger sich auf Nichtwissen berufen durfte, da er sich nicht mehr an die Vertragsdetails erinnern konnte.
- Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG): Rechtsstaatsprinzip. Die Entscheidung betont die Notwendigkeit, dass Parteien die Möglichkeit haben müssen, sich auf fehlendes Wissen zu berufen, wenn sie dies glaubhaft machen können.
- Bundesarbeitsgericht (BAG) Entscheidungen: Das Gericht verwies auf frühere Entscheidungen des BAG, die das Bestreiten mit Nichtwissen unter bestimmten Bedingungen erlauben und die Anforderungen an den Urkundenbeweis festlegen.
⇓ Das vorliegende Urteil vom Landesarbeitsgericht Köln
Landesarbeitsgericht Köln – Az.: 6 Sa 607/22 – Urteil vom 09.02.2023
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts vom 22.02.2022 – 16 Ca 5021/21 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Befristung und mehrerer von der Beklagten vorsorglich erklärter ordentlicher Kündigungen. Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist nur ein Teilurteil des Arbeitsgerichts, das sich mit der Wirksamkeit der Befristung befasst.
Die Beklagte beschäftigt in ihrem Betrieb in B 166 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Der Kläger ist am 1968 geboren. Er war bei der Beklagten zunächst vom 01.12.1990 bis 31.10.2001 als Maschinenbediener angestellt. Vom 06.06.2011 bis 30.09.2015 und vom 06.06.2016 bis 31.08.2019 arbeitete er als Leiharbeitnehmer im Betrieb der Beklagten. Für die Zeit vom 01.09.2019 bis 31.08.2020 schlossen die Parteien einen befristeten Arbeitsvertrag. Anschließend arbeitete der Kläger weiter für die Beklagte als Maschinenbediener in der Schweißerei zu einem durchschnittlichen Monatslohn von zuletzt 4.661,38 EUR brutto. Die Frage, ob dieser weiteren Beschäftigung eine wirksame Verlängerungsvereinbarung zugrunde lag, ist Gegenstand des Rechtsstreits. Die Beklagte berief sich jedenfalls auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Fristablauf zum 31.08.2021 und kündigte das Arbeitsverhältnis vorsorglich mit Schreiben vom 09.09.2021 und zwei weiteren Schreiben vom 14.09.2021.
Der Kläger hat sich mit seiner am 17.09.2021 bei Gericht eingegangenen Klage sowohl gegen die Wirksamkeit einer Befristung als auch gegen die ihm gegenüber ausgesprochenen Kündigungen gewandt.
Zur Begründung seiner Klage hat er mit Blick auf die fragliche Wirksamkeit der Befristung vorgetragen, der befristeten Verlängerungsvereinbarung vom 29.07.2020 fehle die Schriftform. Er bestreite mit nicht-mehr-Wissen, dass die ihm nicht (mehr) vorliegende befristete Verlängerungs-Urkunde auf Beklagtenseite im Original unterschrieben gewesen sei. Er habe sie der Beklagten nach seiner Erinnerung damals auf dem Postweg übersandt. Zudem sei die Befristungsvereinbarung als sachgrundlose Befristung wegen seiner Vorbeschäftigung unwirksam.
Der Kläger hat unter anderem beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch den befristeten Verlängerungsvertrag bzw. durch befristete Verlängerungsmitteilung vom 29.07.2020 nicht mit Ablauf des 31.08.2021 geendet hat.
2. […]
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, die Parteien hätten am 29.07.2020 schriftlich einen bis zum 31.08.2021 befristeten Verlängerungsvertrag (Scan Bl. 95 d. A.) geschlossen, dessen Urkunde sie jedoch nicht vorlegen könne, weil die Personalakte digital geführt werde und deshalb nur das eingescannte Dokument bei ihr aufbewahrt werde. Die Verlängerung sei auch ohne Sachgrund möglich gewesen, da die Vorbeschäftigung des Klägers schon sehr lange zurückgelegen habe.
Das Arbeitsgericht Köln hat mit Teilurteil vom 22.02.2022 dem Antrag zu 1 stattgegeben. Dies geschah mit der Begründung, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Befristungsvereinbarung sein Ende gefunden habe. Der Vereinbarung fehle die Schriftform, die gemäß § 14 Abs. 4 TzBfG für ihre Wirksamkeit notwendig gewesen sei. Die Beklagte habe trotz des Bestreitens des Klägers den ihr obliegenden Beweis für die Wahrung der Schriftform nicht erbracht. Das Bestreiten mit Nichtmehrwissen sei zulässig (BAG v. 20.08.2014 – 7 AZR 924/12 -). Die Einhaltung der Schriftform sei daher von der Beklagten zu beweisen gewesen (BAG v. 25.10.2017 – 7 AZR632/15 -). Es fehle aber schon an einem Beweisantritt. Der Urkundenbeweis sei nur durch Vorlage der Urkunde möglich (§§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, 420 ZPO). Die Urkunde sei aber von der Beklagten nach dem Einscannen vernichtet worden. Der Scan als Augenscheinobjekt im Sinne des § 371 Abs. 1 Satz 2 ZPO sei nicht hinreichend überzeugend (§ 286 ZPO). Dieses Fehlen der Überzeugungskraft sei hier insbesondere auf die Tatsache zurückzuführen, dass nach ihrem eigenen Vorbringen die Beklagte häufig – nicht nur in außergewöhnlichen Ausnahmen – der Schriftform bedürftige arbeitsrechtliche Erklärungen abgegeben habe, bei denen die Unterschriften nur eingescannt seien (Beispiele: Unterschrift des Werksleiters auf dem Kündigungsschreiben vom 09.09.2021 in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt). Im Übrigen sei kein Beweis angetreten worden.
Gegen dieses ihr am 25.07.2022 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 17.08.2022 Berufung eingelegt und sie hat diese am 21.09.2022 begründet.
Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte vor, es sei nach Ihrer Auffassung nicht zulässig, sich im vorliegenden Fall auf „nicht-mehr-Wissen“ zu berufen. Es fehle an jeglichen Darlegungen des Klägers zu der Frage, warum er selbst keine Vertragsurkunde mehr habe und warum er sich nicht mehr daran erinnern könne, ob unter der Vertragsurkunde die Unterschrift des Vertreters der Beklagten gestanden habe oder nicht. Der Vortrag des Klägers sei insofern widersprüchlich.
Die Beklagte beantragt nunmehr, das Teilurteil des Arbeitsgerichts Köln vom 22.02.2022- 16 Ca 5021/21 – abzuändern und die Klage mit dem Antrag zu 1 abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Zur Verteidigung gegen die Berufung der Beklagten trägt der Kläger vor, er könne sich immer noch nicht erinnern, ob die Vertragsurkunde im Original unterschrieben gewesen sei oder nicht. Bis zur Mandatierung seines Prozessbevollmächtigten sei ihm die Bedeutung des Schriftformerfordernisses nicht bekannt gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II. Das Rechtsmittel bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. In der Berufungsbegründung der Beklagten finden sich keine Gesichtspunkte, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten.
Insbesondere ist nichts gegen das Bestreiten des Klägers mit „nicht-mehr-Wissen“ einzuwenden. Der bereits vom Arbeitsgericht zitierten Entscheidung des 7. Senats des Bundesarbeitsgerichts folgend (BAG v. 20.08.2014 – 7 AZR 924/12 -) ist das Bestreiten mit „nicht-mehr-Wissen ein Fall des § 138 Abs. 4 ZPO. Nach § 138 Abs. 4 ZPO ist eine Erklärung mit Nichtwissen nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlung der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind. Da es um ein Schriftstück geht, das der Kläger selbst unterzeichnet und erhalten haben soll, lägen diese Voraussetzungen an sich nicht vor. Jedoch fordert der Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 GG iVm. Art. 2 Abs. 1 GG und dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzip ein Ausmaß an rechtlichem Gehör, das sachgemäß ist. Es muss einer Prozesspartei möglich sein, Tatsachen, die sie zum Zeitpunkt ihres Prozessvortrages nicht mehr weiß und auch nicht zumutbar durch Nachforschungen feststellen kann, mit nicht-mehr-Wissen zu bestreiten (BAG 13. November 2007 – 3 AZN 449/07 -). Dies ist hier der Fall. Der Kläger hat plausibel gemacht, sich an den maßgeblichen Vorgang nicht mehr erinnern und aus den ihm vorliegenden Unterlagen keine Feststellungen treffen zu können.
Nach diesem zulässigen Bestreiten ist daher davon auszugehen, dass der Beweis für eine formwirksame Befristungsabrede im Sinne des § 14 Abs. 4 TzBfG hier (weiterhin) der Beklagten obliegt. Die Beklagte hat sich auf die Wirksamkeit der Befristung berufen. Die Formwirksamkeit der Befristungsabrede ist deshalb für sie günstig. Nach dem Grundsatz, dass jede Partei die für sie günstigen Tatbestandsmerkmale beweisen muss, hat die Beklagte zu beweisen, dass eine formwirksame Befristungsabrede vorliegt. Die Annahme, die Beklagte habe den ihr obliegenden Beweis nicht geführt, rechtfertigt sich aus dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung des Tatsachengerichts, hier also der erkennenden Berufungskammer.
Vorliegend hat der Kläger nachvollziehbar dargelegt, warum er sich nicht mehr deutlich erinnern kann, ob die Urkunde unterschrieben war oder nicht. Dabei wird davon ausgegangen, dass es tatsächlich eine Vertragsurkunde gegeben hat, die vor ihrer Vernichtung die Vorlage für den Scan dargestellt hat, den die Beklagte nun in ihren elektronischen Unterlagen archiviert hat. Widersprüche sind im Vortrag des Klägers nicht erkennbar.
III. Nach allem bleibt es somit bei der klagestattgebenden erstinstanzlichen Entscheidung hinsichtlich des Antrages zu 1. Als unterliegende Partei hat die Beklagte gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung zu tragen. Gründe für eine Revisionszulassung sind nicht gegeben, da die Entscheidung auf den Umständen des vorliegenden Einzelfalls beruht.